Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Zwischen Tradition und freier Expression
Es ist ein Konzert von unglaublicher Dichte, hintergründiger Schönheit und sprunghafter Unberechenbarkeit. Bob Degen spinnt ein langes Solo mit perlenden Akkorden und kurzen Single-Note-Ketten bevor der Tenorsaxophonist Heinz Sauer mit gehauchten Linien und sonorer Kraft, mit überblasenen Untertönen und warm das Thema aufnimmt und bis zum Finale mit den schwebenden Harmonien fortführt. Intensiv und komplex interpretiert das Duo beim Festival „Begegnungen“ der VG-Musikschule im Nieder-Olmer Ratssaal vor dem verzückten Publikum „Work a weeks angrish“, in dem Bob Degen die Melodie zum Tastenspiel leise vorsingt, während Heinz Sauer sparsam mit fein abgestufter Dynamik reagiert.
„Gut 30 bis 40 Jahre spielen wir im Duo“, erläutert Sauer dem Publikum. 1974 begann die Zusammenarbeit im Quartett „Voices“, 1980 entstand die mit einem Schallplattenpreis ausgezeichnete Aufnahme „Ellingtonia Revisited“. Dies erklärt das Verständnis füreinander und die traumhaft sicheren Interaktionen der beiden gereiften Musiker, die Standards wie „Monks Mood“, „Evidence“ oder Billie Holidays „God bless the child“ auf die harmonischen Grundstrukturen reduzieren und darauf ihre Improvisationen aufbauen. Nicht vorhersehbar sind die lyrischen Läufe mit der vertrackten Harmonik auf dem Piano ebenso wie die unerwarteten und zum Teil skurrilen melodischen Wendungen auf dem Saxophon. Die Sauer-Komposition „Kieser´s Exchange“ wird getrieben von ostinat wirkenden Variationen und endet sanft mit einem beseelten Duo. Es tauchen kurze Unisono-Passagen in „Etosha“ auf, in anderen Stücken sparsame Akkordeinwürfe oder wuchtige Fülle auf dem Piano vor allem in den Eigenkompositionen von Sauer und Degen.
Heinz Sauer ist ein wortkarger Mensch. Nur einmal in diesem Konzert kündigt er mit „God bless the Child“ ein Stück an. Offensichtlich will er die Musik für sich sprechen lassen. Dies wird belegt durch Monks „Evidence“ mit seinem parlierenden Charakter im Ruf-Antwort-Spiel und den kurzen, abgehackten Riffs. Da wechselt Sauer von gehauchtem Spiel mit teilweise vibrierenden Luftsäulen im Instrument zu geschrienen und erdigen Tönen, die auf dem Saxophon herausgestoßen werden. Dieses brüchige und zugleich kraftvolle Spiel, die weichen und dennoch mit überblasener Expressivität ausdrucksvollen Läufe kennzeichnen Sauers eigenständigen Personalstil ebenso wie feingliedrige Harmonik, flexible Phrasierung, lyrische Konsequenz sowie die Disziplin das Spiel Degens.
Die begeisterten Zuhörer in Nieder-Olm erleben ein Duo, das mit souveräner Beherrschung der Tradition einen Weg in die Modernen gefunden hat. Es entlässt die beiden Künstler nicht ohne Zugabe.