Es ist eine Unterstellung, dass zur Blues-Harp, der Mundharmonika, stets ein schlechtes Mikrofon gehört, damit der Klang des Instruments möglichst verzerrt wird. Klaus „Mojo“ Kilian blies, hauchte und schrie den Blues beim Konzert der „Down Home Percolators“ in Nieder-Olm den Blues in ein gutes Mikro und klang dennoch authentisch. Es ist das Feeling, das der Musiker und Sänger beim Blues mehr noch als beim Rock oder beim Jazz ausdrücken muss. Es kommt weniger darauf an, den Ton perfekt auszuformen oder jede einzelne Note zu treffen, auch wenn die Zuhörer weder Kilian noch dem Gitarristen Bernd „Snoopy“ Simon gravierende Nachlässigkeiten nachsagen könnten. Denn dass der Sänger in einem zweistündigen Konzert mal eine Strophe vergisst oder ihm im intimen und deshalb aufdeckenden Duo mal ein Tempo-Patzer unterläuft, unterstreicht eher noch den erfrischenden Live-Charakter – zumal „Mojo“ daraus souverän improvisierend und selbstironisch einen Dialog mit dem Publikum gestaltet.
1912 veröffentlichte W. C. Handy „The Memphis Blues“, den ersten Song, in dem das Wort „Blues“ vorkam. 1920 nahm Mamie Smith den „Crazy Blues“ auf, der sich nahezu eine Million Mal verkaufte. Charlie Patton kam 1929 mit dem „Pony Blues“, Son House wurde 1941 für die amerikanische National-Bibliothek aufgenommen.
Sie alle sind Musiker, auf die sich Kilian und Simon mit ihrem Repertoire beziehen. Und so führt die Reise beim Konzert der Künstler-Initiative Glockwerk durch die Blues-Regionen von Mississippi und New Orleans über Texas und Memphis bis nach Chicago.
Die Standard-Form des Blues wird geöffnet für Elemente des Country, der Folklore und des Jazz. Da passt stimmungsmäßig auch Dukte Ellingtons „Don´t Get Around Much Anymore“, das ursprünglich „Never No Lament“ hieß und mit diesem Titel viel von jener Mischung aus Traurigkeit und Trotz, Zynismus und Romantik sowie Lebensfreude und Kummer verriet, die dem Blues zu Eigen ist.
Simon spielt den Blues eher filigran mit Finger-Picking und groovenden Läufen, Kilian lässt die Blues-Harp expressiv und intensiv heulen, zieht und stößt die Luft über die metallenen und hölzernen Zungen oder entlockt der Gitarre mit Bottleneck- und Slide-Technik in jaulenden Läufen Blues-Phrasen. Stilistisch bewegen sich die beiden Musiker vom Delta-Blues bis zum Big-City-Blues Chicagos, von der Archaik über die Folklore, den Rag und den Swing bis zum Rock.
So begegnen die Zuhörer an diesem Abend den aufgefrischten Interpretationen der Blues-Matadore Lightnin´ Hopkins („Short Hair Woman Blues“) und Muddy Waters („I Can´t Be Satisfied“) Charlie Patton, Lee Stokes, Robert Johnson und selbst Memphis Minnie (Black Rat Swing“), die den Gitarrenwettkampf gegen all die anderen Blues-Boys (einschließlich Big Bill Broonzy) und ihre drei Ehemänner gewann.
Kilian plaudert locker zwischen den Stücken, vermittelt Bluesgeschichte ohne erhobenen Zeigefinger, lässt das Publikum ohne den peinlichen Anstrich des Anbiederns mitsingen.
Das amerikanische Magazin „Living Blues“ kommentierte die Musik des Duos: „Kilian spielt eine beeindruckende Bluesharp und singt um einiges besser als die meisten seiner europäischen Blueskollegen; Bernd Simons Gitarre hat einen locker rollenden Swing, der bewusst zurückhaltend unterstützt.“ Das Konzert in Nieder-Olm unterstrich diese Einschätzung.