Ryō Kawasaki (* 25. Februar 1947 in Tokio; † 13. April 2020 in Estland) war ein japanischer Jazzgitarrist und Komponist.
Hans Kumpf in der LUDWIGSBURGER KREISZEITUNG am 16. Mai 1980:
Jazz mit musikalischem Erbe – Gitarrist Ryo Kawasaki spielte mit seinem Quartett
Die Veranstaltungsreihe mit modernem Jazz im Ludwigsburger Kulturzentrum gewinnt zunehmend ein treues – wenn auch zahlenmäßig relativ bescheidenes – Publikum. Mit dem japanischen Gitarristen Ryo Kawasaki wurde ein junger Jazzer verpflichtet, der schon seit Jahren auf der Szene einen Namen hat.
Schon der Großvater des 1947 in Tokio geborenen Ryo Kawasaki war ein bedeutender Musiker: er galt als Meister der japanischen Bambusflöte Shakuhachi. Im Selbststudium brachte sich Ryo das Gitarrespiel bei, 1973 ging er in die USA. Dort hatte er eigene Gruppen, arbeitete in Studios und spielte unter anderem mit Gjl Evans und Archie Shepp. Als Mitglied des Elvin Jones Quintetts war er vor drei Jahren in Europa zu hören.
Stilistisch agiert Kawasaki auf der E-Gitarre recht vielfältig – da bewegt er sich im rockig-souligen Metier, erinnert mit einer abstrakt-atonaler Linienführung an John McLaughlin, bekennt sich zur B bop-Tradition (und zitiert mal den Jazz-Standard „Cherokee“) und durchsetzt sein Solo mit polyphonen Barockphrasen. Von Sorgfalt ist sein Spiel getragen, seine sauber artikulierten Läufe sind merkbar rational bestimmt.
Unverwechselbar ist Ryo Kawasaki allerdings, wenn er sich zum musikalischen Erbe seiner Heimat bekennt: Auf der elektrischen Gitarre produziert er Klänge wie im höfischen „Gagaku“-Orchester Japans. Er imitiert sowohl die japanische Oboe „Shichiriki“ mit ihrer schneidenden Tongebung und den an- und abglissandierten Tönen als auch das Zitherinstrument „Koto“. Auf der akustischen Gitarre schafft Kawasaki einen fließenden Übergang von einem „kotoartigen“ Spiel in typischer japanischer (mit Leittönen versehener) Pentatonik zu einem tiefernpfundenen Blues.