Text und Photos: Hans Kumpf
Popsongs und Standards kreativ verjazzt
In der Schwäbisch Haller Hospitalkirche spielte virtuos als auch unterhaltsam das Trio des Gitarristen Ro Gebhardt, der nicht zum ersten Mal in der Salzsiederstadt gastierte. Veranstaltet wurde der Abend gemeinsam vom Jazzclub und vom Kulturbüro.
Der Afroamerikaner Burdette L. Becks II fühlt sich längst heimisch in Deutschland und wohnt im rheinland-pfälzischen Landstuhl. Seit vielen Jahren kooperiert der singende Flötist mit dem Saarländer Roland Gebhardt (Gitarre). Zusammen mit dem Bassisten Ralf Cetto traten die beiden in Hall auf.
„Unplugged Masters“ heißt die aktuelle Tour von Roland alias Ro Gebhardt. Keine Frage: Hochqualifizierte Meister an den Saiten, auf diversen Flöten und mit den Stimmbändern sind alle drei Mannen. Doch ohne Saft aus der Steckdose für eine Batterie von Effektgeräten, für Verstärker und Lautsprecher geht es nicht ab. Dank Drahtlosfunk vermögen Ro Gebhardt mit seiner Ibanez-Gitarre und Burdette Becks mit seinem kabellosen Mikrofon durch den Saal wandeln und den begeisterten Zuhörern ganz nahe sein.
Über einen enormen Tonumfang – vom höchsten Falsett bis zu imposanten Tiefen – verfügt Becks sowohl als temperamentvoller Vokalist als auch mit seinen Flöten. Neben der konventionellen Querflöte bläst er noch eine piepsige Piccoloflöte und eine nur in ihren Ausmaßen sperrige Bassflöte. Die Themenpräsentationen bringt Burdette Becks stets exakt, seine Improvisationen – besonders die Scat-Soli – kommen vital und beherzt. Sängerisch erinnert er an Bobby McFerrin und Al Jarreau, instrumental an Jeremy Steig.
Wenn die betagten Hits „Lady Madonna“, „The Fool on the Hill“ oder „Day Tripper“ interpretiert werden, geraten diese nicht zu belanglosen Coverversionen von Beatles-Stücken, sondern entwickeln als ausgedehnte „Longplays“ ein eigenes neues Leben. Besonders die kommunikativen und interaktionsfreudigen Saitenkünstler lassen altgediente Evergreens mit viel Verve kreativ aufblühen. Nicht weniger virtuos als Bandleader Gebhardt agiert da Ralf Cetto am korpulenten Kontrabass und am fünfsaitigen Bassgitarrenbrett. Der Musiker aus Bingen swingt und groovt – und ersetzt mit seinen komplexen Rhythmen noch einen Schlagzeuger.
Antonio Carlos Jobims „Wave“ (1967) verbleibt nicht etwa als betulich-banale Bossa-Nova-Nummer, sondern wird mitunter im vierfachen Tempo rasant genommen. In einem integrierten Solo nach dem Motto „mit gegen sich selbst“ kontrastiert Jo Gebhardt aggressives Flageolett-Gezirpe mit dunklen Melodielinien, schlägt flachhändig auf die Gitarrensaiten, glissandiert und geht drastisch geräuschhaft vor und verschmäht nicht subtile Sounds.. Entsprechend interessant gestalteten Gebhardt, Becks und Cetto beispielsweise auch „Spain“ von Chick Corea und modelten gewitzt einen argentinischen Tango um. Das Publikum in der gut besuchten Hospitalkirche bedankte sich mit euphorischem Applaus.