Fotos und Text: Klaus Mümpfer
12. März 2011
Jazzpianistin, Sängerin und Komponistin aus Baku in Aserbaidschan, ist die erste Trägerin des Mainzer Jazzpreises der Pro Musica Viva – Maria Strecker-Daelen-Stiftung. Vorstandsvorsitzender und Chef des Schott-Musikverlags Peter Hanser-Strecker überreichte der Wahlmainzerin die Auszeichnung bei einem Jubiläumskonzert zum 20. Geburtstag des Frankfurter Hofes für ihre „künstlerische Leistung als herausragende Interpretin eigner und fremder Werke. Komposition, Klavierspiel und Gesang verschmelzen bei ihr zu einer virtuosen und begeisternden Dreifaltigkeit“. „Schon der Name klingt wie Musik“, schwärmte Hanser-Strecker, weshalb es ihm Freude bereite, „eine Ausgezeichnete auszuzeichnen“. Zadehs innere und äußere Schönheit strahle auf die Musik aus. „Der Frankfurter Hof ist ein wundervolles Haus und meine Heimat“, entgegnete die Preisträgerin in ihren Dankesworten. Mit jenem sanften Lächeln, das jeden Gegenüber sofort für sie einnimmt, dankte Zadeh ihren Eltern und ihrem „Freund Bechstein“ für die Inspiration sowie Hanser-Strecker für die Ehrung. Pro Musica Viva fördert die „Neue Musik“, indem die Stiftung Komponisten, Autoren und Interpreten unterstützt, Stipendien vergibt und Preise verleiht.
Im Konzert mit ihrem Trio bewies die Künstlerin, dass sie die Auszeichnung zu Recht erhalten hat. Sie leitet „Oriental Ornaments“ mit einem lyrischen, melodischen und verspielten Lauf ein, gewinnt mit hämmernden und kraftvollen Akkordreihen auf der Basis einer straight laufenden Basslinie und eines pulsierenden Schlagzeuges an Intensität, baut Spannungsbögen mit retardierenden Verschiebungen auf und lässt das Stück sanft ausklingen.
Zadeh Stücke und Suiten folgen offensichtlich dem Formenkanon der Klassik, improvisatorische Elemente werden fast wie beiläufig integriert. Im Trio mit dem kreativ-sensiblen Bassisten Ralf Cetto und dem Schlagzeuger Simon Zimbardo, der sich ihrem hart percussiven Pianospiel anpasst, verschiebt sich der Schwerpunkt in der Symbiose von aserbaidschanischer Musik, Klassik und Jazz in Richtung jazziger Interpretation. Zugleich prägt das Modalsystem des Mugam, das Intervalle, Melodieführung und Rhythmus bestimmt, noch immer ihren Kompositionsstil und ihre Spielweise. Dies wird vor allem in jenen Kompositionen deutlich, in denen sie mit sphärischen und dramatisierenden Koloraturen singt. In „Shamans“ wird ihre Stimme zunächst vom Flügel geführt, doch dann greift sie zur kleinen Handtrommel und „erzählt“ in elektronisch gedoppeltem a capella-Gesang von den Schamanen ihrer Heimat. Der Klang des „Theater of Marionets“ wird geprägt von kreisenden liedhaften Melodien. In „Ateschkeh“ lässt sie sich mit metallen klingenden Akkordeinwürfen auf eine Ruf-Antwort-Passage mit dem hart getrommelten Schlagzeug ein, wechselt abrupt zu einem sanften Zwischenspiel, um anschließend mit rollenden Bass-Ostinati und Cluster auf dem Flügel abzuschließen. In den Interaktionen mit dem Bassisten Cetto entstehen oftmals parallele Läufe, die in unterschiedlichen Tempi und Metren divergieren und dann doch wieder zusammenfinden. Spannung ziehen die Kompositionen immer wieder aus starken Dynamiksprüngen und Stimmungswechseln. Bei aller Phantasie und rhythmischer Präzision wirken die Stücke dennoch nie akademisch.
Aziza Mustafa Zadeh wirkt zerbrechlich, wenn sie schlank im fließenden Kleid und scheuem Lächeln ihre Stücke moderiert. Doch wenn die Künstlerin ihre Akkordblöcken und donnernden Stakkati in die Tasten hämmert oder perlende Single-Note-Kaskaden aus dem Flügel strömen lässt, wenn ihre Stimme weit tragend und kraftvoll durch den dunklen Saal klingt, dann fragt sich der Zuhörer unwillkürlich, woher die zierliche Person diese Power nimmt.
Ihr Vater, so sagt Aziza in liebevoller Erinnerung, sei der Schöpfer der Verschmelzung von Mugam und Jazz, ihre Mutter eine gefeierte Sängerin. Geschult an ihrem Lieblingskomponisten Bach und mit einem Gewinn beim Thelonious Monk-Klavierwettbewerb , hat die inzwischen vierzigjährige Künstlerin offensichtlich die positiven Elemente aller Vorbilder in sich vereint.