Aladar Pege solo in der Rüsselsheimer „Jazz-Fabrik“, 5. Juni 2004

Er ist einer der leichtfingrigsten Künstler auf diesem an sich schwerfälligen Instrument. Das zupft Aladar Pege, mit der linken Hand den Hals des Kontrabasses kraulend, mit der tanzenden Rechten so swingende Sechzehntel, dass ein Gitarrist neidisch werden könnte. Den „Bassprofessor“ hatten Kritiker ihn früher genannt, inzwischen hat ihm sein virtuoses und doch immer musikalisches Spiel den Spitznamen „Paganini des Kontrabasses“ eingebracht.

Scheinbar mühelos spielbar erscheint der Kontrabass bis in die höchsten Lagen am Griffbrett sowie in den grummelnden Tiefen. So zupft und streicht der Ungar jetzt auch bei seinem Solokonzert in der Rüsselsheimer Jazz-Fabrik sein Instrument bei eigenen Jazz-Kompositionen, einem ungarischen Volkslied und in zwei klassischen Stücken, in denen er über den mit dem Bogen gestrichenen Motiven zupfend improvisiert. Mozart hatte schon in einer Es-Dur-Sinfonie sehr rasche Skalen vorgeschrieben. Für den klassisch ausgebildeten und am Budapester Franz-Liszt-Konservatorium lehrenden Bassprofessor ein Grund mehr, eine Mozart-Komposition con arco und mit einigen kurzen Harmonievariationen anzuspielen. Oder Bachs Präludium aus einer Cello-Suite souverän und intonationssauber zu streichen, um dann in einem Mittelteil die Saiten schlagend und zupfend ideenreich über das Thema zu improvisieren.

In der Intimität der Opel-Villen tat der Künstler gut daran, der Bitte des Publikums zu folgen und den Verstärker abzuschalten – zumal dieser mit andauernden Aussetzern den Hörgenuss erheblich beeinträchtigte. Pege tat´s mit anfangs leichtem Widerstand, zeigte sich zum Schluss des 70minütigen Konzertes aber zufrieden über seine Entscheidung. Denn in der „reinen Natur“ (wie er sagte) kamen die gestrichenen Tiefen sauberer, wurden die Flaeoletts – jene leicht pfeifenden Obertöne – hörbar und rundeten kontrastierend den warmen Klang des wuchtigen Instruments ab. Da kamen die Mehrfachgriffe, die Akkordfolgen, die freien, virtuos gezwirbelten Stakkati in den höchsten Lagen kurz über dem Steg voll zu Geltung.

Ein bildhafter Vergleich mag den Verlauf eines Jazzthemas illustrieren. Der Kontrabass marschiert stramm und gradlinig, schlägt plötzlich Purzelbäume, eilt in geschwinden Trippelschritten voran, um dann wieder mit bedächtigem Schritt eine Phase der Erholung einzulegen. Schließlich kommt Pege wieder auf das Thema zurück, lässt es mit einem vibratoreichen Ton ausklingen.

Neben der Ideenfülle ist es der Humor, der das Spiel Pege charakterisiert. Er zeigt sich durch alle Improvisationen und wird offenkundig in der Zugabe, die den Bassisten im Duell und Duett mit dem Metronom als unerbittlichem Time-Keeper präsentiert.

 Der Bassist, dessen Spiel bei der Jazz-Yatra 1980 die Witwe des amerikanischen Kollegen Charles Mingus so faszinierte, dass sie ihm später einen Kontrabass ihres verstorben Mannes schenkte, der Professor, der in seinem Heimatland Klassik lehrt und mit abendländischer Tradition brilliert, der zugleich auch ungarische Volksmusik pflegt, kennt keine ideologischen Grenzen. Es mag der Fluch der jeder Virtuosität, die so selbstverständlich und unauffällig hinter der Musik zurücktritt, sein, dass sie oftmals überhört wird und deshalb nicht die Anerkennung bekommt, die sie verdient. Das Publikum der Jazz-Fabrik indessen feierte den Künstler gebührend.

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