Der Saxofonist Daniel Erdmann und die Pianistin Aki Takase stellten in der Haller Hospitalkirche ihre aktuelle CD „Isn’t It Romantic?“ vor. Das harmonierende und experimentierfreudige Duo unternahm auch beherzt furiose Aktionen.
Endlich in Schwäbisch Hall mal wieder ein Jazzkonzert ohne kurzfristige Absage der pandemischen Art. Die Pianistin Aki Takase wurde 1948 in Osaka geboren, der 25 Jahre jüngere Saxofonist Daniel Erdmann in Wolfsburg. Inzwischen lebt sie in Berlin und er im nordfranzösischen Reims. Mittels Internetverbindung bereiteten die beiden Künstler zu Corona-Zeiten eine CD vor, die dann Anfang August 2020 innerhalb von drei Tagen in der ungarischen Hauptstadt für das dort ansässige Label BMC (Budapest Music Center) eingespielt wurde. Betitelt ist der Tonträger nach der einzigen darauf enthaltenen Fremdkomposition: „Isn’t It Romantic?“ fragte Richard Rogers bereits 1932 im Film „Love Me Tonight“ und kreierte damit einen Jazzstandard, den auch schon Ella Fitzgerald und Chet Baker interpretierten.
Nach Regensburg, München (mit weltweiter Livestream-Übertragung) und Esslingen gelangte Schwäbisch Hall als letzte Station einer ersten Vorstellungstour des Silberlings. Als gemeinsame Veranstalter fungierten in bewährter Weise der örtliche Jazzclub und das städtische Kulturbüro. Mit rund 70 Zuhörern war das Kontingent in der locker bestuhlten Hospitalkirche fast schon erschöpft. Schier grenzenlos erschien letztendlich die Begeisterung.
Schon beim Opener war zu bemerken, dass das Programm „Isn’t It Romantic?“ ein gerne zu verzeihender Etikettenschwindel sein mag. Daniel Erdmann blies auf dem Tenorsaxofon da anfänglich in flotter und forscher Swing-Manier, und Aki Takase erinnerte in ihrer Improvisation an den stolpernden Gnom aus „Bilder einer Ausstellung“ von Modest Mussorgsky, so wie auch bei anderen Stücken geistreich und keineswegs plump immer wieder Zitate (etwa der Calypso „St. Thomas“) eingestreut wurden. Entschlossen und überhaupt nicht rührselig endete auch diese Nummer.
Als Programmmusik, eben akustisch illustrativ, darf man sich die Erdmann-Komposition „An jeder Kreuzung liegt eine Erinnerung begraben“ vorstellen: Fahrstunden in modernen Großstadtzeiten. Viel nervöse Hektik und abruptes Bremsen in Berlin, wo übrigens der smarte Saxofonist bei der Tastenvirtuosin Takase das Fach „Improvisation“ studierte.
„A Small Step For Me“ beispielsweise steuerte Aki Takase zur gemeinsamen CD bei: Die Introduktion auf dem Flügel kommt da impressionistisch-zart. Aber die Japanerin kann auch deftig auf das Instrument hineinhauen und somit geradezu ihrem berserkerhaften Landsmann Yōsuke Yamashita huldigen. Doch bei ihr bleibt jeder Ton stets präzise und kontrolliert – wie das gelegentliche Stampfen mit den Füßen.
Aki Takase, die früher lange den Bassklarinettisten Rudi Mahall als bläserischen Duo-Partner hatte, versteht sich und interagiert auch mit Daniel Erdmann bestens. Dieser wechselt im Studio oder vor Publikum noch zum Sopransaxofon, wo er zuweilen freejazzige Klangströme produziert. Und kurz spielt er simultan im Doppelpack von Sopran und Tenor zweistimmig – eine Hommage an das Unikum Roland Kirk.
Man beherrscht eben nicht nur die Jazztradtion, sondern auch die ganze abendländische Musikgeschichte und klammert „world music“ natürlich keinesfalls aus. Ein interessanter kurzweiliger Abend – ohne romantisch triefende Klischees.
Stimme aus dem Publikum
„Eine unbändige Experimentierfreude ist das Kennzeichen von Aki Takases Klavierspiel. Dabei kann sie, mit allen Wassern gewaschen, auf ein breites Spektrum musikalischer Ausdrucksformen zurückgreifen, die von den Ostinati mittelalterlicher Musik über eine profunde Kenntnis klassischer Klavierkunst bis zu freien, lautmalerischen Formen reichen. Ihre bisweilen außergewöhnliche Spielweise nötigt ihrem Instrument einiges ab. Mit dem jüngeren Saxophonisten Daniel Erdmann hat Aki Takase einen kongenialen Mitstreiter gewonnen, dem die Musik, um die Aki noch kämpfen musste, bereits in die Wiege gelegt wurde.“
Jürgen Gröner, Pianist, Weinstadt