Absinto Orkestra mit Almut Ritter und Claudio Puntin, Rüsselsheim, 8. Juli 2007

Eine der Kompositionen aus den Reihen des Absinto Orkestras trägt den Titel „No more Klezmer“. Er könnte ironisch aufgefasst werden, denn sowohl die Intro des Klarinettisten Cludio Puntin als auch der weitere melodische Verlauf sind stark von Klezmer-Stimmung geprägt. Die weitere Besetzung mit Geigen, Kontrabass kommt ebenfalls dieser traditionellen Instrumentalmusik der jiddischsprachigen Juden Osteuropas entgegen und vermischt sich in den beiden Gitarren, der Mandoline und der Percussion mit der Zigeuner-Folklore aus dem Balkan sowie dem Sinti-Jazz eines Django Reinhardt oder Stephane Grappelli. Dass diese Ethno-Mixtur der Definition „Jazz“ im engen Sinne nicht genügt, mag allenfalls Puristen stören. Die Musik des Absinto Orkestras swingt auf jeden Fall ungemein.

Die Selbstdarstellung der Formation um den Gitarristen Stefan Ölke kommt der Realtität beim Auftritt im Rüsselsheimer Kultursommer sehr nahe, wenn sie von Balkan-schwangerem Ethno-Jazz mit der rasanten Zigeuner-Gitarre von Joachim Schappert, der melancholischen Mandoline von Stefan Ölke, dem Balkan-Beat pumpendem Kontrabass Hans Benders, dem frankophilen Akkordeon Thomas Rohoskas und der heißblütigen Kosakengeige von Jolly Reinig spricht. 

An Reinigs Stelle spielt an diesem Abend in Rüsselsheim die Geigerin Almut Ritter aus der Irisch-Rock-Formation „Paddy goes to Holyhead“, die nicht nur in ihrer Komposition „Irish Coffee“ gälische Elemente ins Ensemblespiel einbringt. Für die Klezmer-Impressionen sorgt Puntin, ein musikalisches Chamäleon, das im freien Jazz ebenso zu Hause ist wie in der Tradition, Folklore und Klassik. Der Kölner lässt seine Klarinette lautstark in den Höhen jubilieren, in den Mittellagen sanft hauchen und leitet den glücklicherweise von jeglicher Sentimentalität bewahrten Evergreen “Bei mir bist du scheen“ mit imitierten Vogelgezwitscher ein. In „Misirlou“ mit seinem getragenen Tempo und den exotischen Harmonien wechselt Puntin zwischen dem aufgerauten, vibratoreichen Ton der Bassklarinette und dem hellen Klang der Klarinette, formt Rohoska mit dem Akkordeon die melodische Basis. 

Kennzeichnend für alle Kompositionen sind die Tempowechsel zwischen Einleitung und Mittelteil, die enormen Dynamiksprünge. Unisono-Passagen von elektrifizierter Geige, Akkordeon und Klarinette wechseln mit reizvoll kontrastierenden Duos etwa von Geige und Akkordeon in „Frankas Reich“. Humorvolle Einlagen wie ein Zitat des Kinderliedes „Hänschen klein“ in einem melodisch gestimmten Percussions-Solo von Frank Völker sorgen für zusätzliche Abwechslung.

Fast zehn Jahre arbeiten nun die beiden Gitarristen Jo Schappert und Stefan Ölke zusammen, seit fünf Jahren pflegen sie den „Gadjo-Swing“, jenen Swing der Nicht-Zigeuner in einer gefälligen, aber keineswegs beliebigen oder gar anbiedernden Weise. Das Rüsselsheimer Konzert hat dies eindrucksvoll bestätigt. 

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