„Enders Room“ in der Rüsselsheimer Jazzfabrik, 12. Dezember 2013

Enders Room 2013 - Foto: Mümpfer

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer

Natur und Elektronik

Sechs Musiker betreten „Enders Room“, wandern durchs Land des zeitgenössischen Jazz, indem sie eine Zeitreise von der Tradition des Bebob bis zum Elektronik-Pop unternehmen. Teils melodiöse und balladeske Linien, teils exzessive Stakkato-Ausflüge werden zeitweise eingebettet in die Synthesizer-Sounds des orgelnahen Spiels von Keyboarder Jan Eschke oder vom Laptop des Drummers Gregor Hilbe. Dies alles geschieht beim Konzert von „Enders Room“ in der Rüsselsheimer Jazzfabrik“ unter der Diktion des Tenorsaxophonisten Johannes Enders auf einzigartig geglückte Weise ohne stilistische Brüche.

Saxophon und Flügelhorn steigern sich in der Intro zu „Cassini“ in Unisono-Klängen zu den ostinaten Thema-Variationen des Keyboarders bis zum Crescendo. Enders gefällt sich in Bebop-inspirierten Läufen bis der Schlagzeuger seine Drums mit Knalleffekt „explodieren“ lässt. Schließlich lassen die Musiker die Komposition getragen ausklingen. Eine Ballade hat Enders der Sängerin Rebekka Bakken gewidmet, deren Gesang Enders Room vor Jahren füllte. Mehrstimmiges Spiel der Bläser, filigrane Läufe auf der Gitarre sowie eine kontrastierende Drum-Expolsion mit harten Keyboard-Attacken können der Stimmung der Komposition nichts anhaben, die mit einem schwebenden Finale ausklingt.

Johannes Enders - Foto: MuempferSolche abrupten Dynamiksprüngen und pulsierende Rhythmuswechsel erzeugen in dem kontrastierenden Spiel des Sextetts Spannungen, die allerdings von den immer wiederkehrenden Harmonie-Variationen, mit denen Trompeter Micha Acher und Bassklarinettist Stefan Schreiber die Saxophon-Ausflüge untermalen, teilweise neutralisiert werden. Enders leitet „The essence of a day“ mit Tonkaskaden ein, die von einem zurückhaltend gespielten Schlagzeug und Akkordsprengsel des Gitarristen Gerd Baumann unterstrichen werden. Acher bläst auf seinem Flügelhorn eine eingängige Melodielinie zu den sich wiederholenden Fragmenten des Saxophons, das wiederum mit der Bassklarinette den Groove des pulsierenden Schlagzeugs stärkt.

Enders Room spielt mit Klangfarben in den komplexen Kompositionen. Kleine Cluster schieben sich übereinander, verästeln sich und mischen die Sounds der einzelnen Instrumente mit der Elektronik, die überraschend sparsam eingesetzt wird. Nicht ohne Grund hat die Jury des SWR-Jazzpreises Johannes Enders vor zehn Jahren ausgezeichnet und in der Begründung „die gelungene Verbindung traditioneller Jazzelemente mit neuen elektronischen Klängen“ gelobt.

Beim Rüsselsheimer Konzert stellen der Zwei-Meter-Mann mit dem Tenorsaxophon und sein Team fast ausschließlich Kompositionen der neuen CD „zen tauri“ vor. Dabei ist das „zen“ mehr als nur ein Teil des Titels. Es geht neben der Entwicklung von Klangflächen stets um die Vereinigung der Kontraste von Naturklang und Elektroniksounds.

Gegen Ende des Konzerts lässt Hilbe die Beats aus dem Laptop tropfen und trommelt dazu polyrhythmisch und vielschichtig, während Eschke zunächst mit flinken Fingern-Single-Note-Linien aus dem Flügel perlen lässt und später mit den Keyboards einen Soundteppich webt. Darin bettet Enders unbeirrt seine teils sanften, teils ekstatischen Phrasen, die die Bebop-Tradition durchklingen lassen. Dieses Enders-Klanguniversum verrät den Zuhörern mit jedem Detail musikalischen Forschergeist. Nicht umsonst heißt eine Kompositionen „Archetype“. Enders Room war auch in Rüsselsheim ein Klangraum, in den sich die Zuhörer mit weit offenen Ohren hineinwagten.

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