4. JazzArtFestival in Schwäbisch Hall

Mittlerweile hat sich in Schwäbisch Hall das vorösterliche JazzArtFestival etabliert, was an den fünf Veranstaltungstagen auch am regen Publikumszuspruch abzulesen war. Am Eröffnungsabend kooperierten in der ausverkauften barocken Hospitalkirche der syrischstämmige Autor Rafik Schami mit dem Dresdner Schlagzeuger Baby Sommer, der zu den vorgetragenen Prosatexten zumeist eine klangliche Untermalung lieferte, aber auch mit gewitzten Soloeskapaden theatralisch hervortrat.

Michael Schiefel vereinte exponierte und tonumfangreiche Vokaltechniken eines Al Jarreau und Bobby McFerrin mit von der Polin Urszula Dudziak her bekannten elektrotechnischen Transformationen, ehe die aus Finnland stammende Kristiina Tuomi mit Normalstimme ziemlich Besinnliches intonierte. Nach lockerem Swing des Trios „Bassface“ mit dem Pianisten Thilo Wagner, dem Bassisten Jean-Philippe Wadle und dem Schlagwerker Florian Hermann, wurde es mit aufjaulenden Klangbändern des Gitarristen Terje Rypdal lautstärker. Sein ebenfalls sehr notengebundener norwegischer Landsmann Ketil Bjornstad agierte am geliebten Steinway-Flügel als romantisch-impressionistischer Gegenpart.

Der Ostberliner Gitarrist Uwe Kropinski geriet 1982 beim leider nicht mehr existierenden Nürnberger Festival „Jazz Ost West“ zur absoluten Sensation, denn derlei virtuose Instrumentaltricks bei immenser musikalischer Spannbreite waren zuvor nicht zu hören gewesen. Uwe Kropinskis Credo: „Die Gitarre ist für mich ein Instrument, das viele Rollen übernehmen kann. Spiele ich Akkorde, denke ich ans Piano, spiele ich Basslinien, habe ich den Drive eines Bassisten im Kopf. Man kann wie ein Bläser phrasieren und auf dem Korpus als Perkussionist musizieren.“ 

Vielseitig ist der Saitenkünstler, der im Rock-Genre begann und zu den führenden Gitarristen der vitalen Free-Jazz-Szene der DDR avancierte. Auch der versierte Tastenkünstler Dieter Köhnlein, 1959 in Ansbach geboren, agiert universell: Kenntnisse von klassischer und zeitgenössischer Musik, der Jazztradition und internationaler Folklore fließen in sein Spiel und in sein Komponieren gleichermaßen mit ein. 

Mit Witz konstruiert auch Uwe Kropinski seine Kompositionen. Uwe Kropinski hält seine Gitarre nicht waagrecht, sondern placiert sie ähnlich wie ein Cello, wobei dann das Griffbrett mit seinen 39 Bünden links am Musikerkopf vorbeiführt. Auf elektronisches Transformationsgerät verzichtet er im Gegensatz zu dem zwei Tage zuvor spielenden Terje Rypdal völlig, freilich ist sein konventionell sechssaitiges Korpusinstrument mit einem Tonabnehmer versehen. 

Kropinski liebt den akustischen Naturklang. Mit der neuartigen „Touch-Technik“ kann er alleine durch linkshändiges Abgreifen die Saiten in hörbare Schwingungen versetzen, während er mit der rechten Hand nach alter Weise zupft. Und den Resonanzkasten schließlich kann man wie eine Trommel traktieren. Um das rhythmische Feuerwerk noch zu intensivieren, bewegt Kropinski noch zusätzlich mit dem rechten Fuß eine Rassel. Ein wahres 1-Mann-Orchester im postmodernistischen Stilgemisch, das an anderer Stelle auch Raum hat für liebliche Balladen.

Bei Köhnleins Komposition „Fleurs de Sahara“ verwandelte Kropinski in Hall sein Saiteninstrument regelrecht in eine nordafrikanische Darabukka-Trommel. Bei seinem Stück „In A Spanish Way“ bediente er sich natürlich der phrygischen Tonskala und erinnerte an den Flamenco-Gitarristen Paco de Lucia, der freilich nicht noch selbst Kastagnetten-Geklapper herbeizuzaubern und wie eine mehrköpfige Zigeuner-Band zu klingen vermag. Lustig, wie Kropinski durch das Streichen des Fingernagels nur über die Bünde das südamerikanische Perkussionsgerät Guero imitierte.

Köhnlein und Kropinski hatten beide Spaß an ihrem schauerlich-schönen „Night Mare Blues“. Kein Albtraum, sondern eine konzertante Wohltat. Das Publikum erklatschte sich zwei Zugaben, ehe die Bühne für den israelischen Kontrabassisten und Pop-Sänger Avishai Cohen frei gegeben wurde, der dann mit seinem Quintett eine eigenartige Mischung von nahöstlicher Volksmusik, Jazz und „easy listening“ präsentierte.

Bei der Sonntagsmatinee in der Kunsthalle Würth kombinierte der Pianist Michael Wollny in einem reizvollen Recital pedalisierte Pattern-Musik und rauschenden Romantizismen. Mit der fast kabarettistischen „Schäl Sick Brass Band“ schloss weltmusikartig das Festival in der Stadt der Bausparkasse und Salzsieder. 

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