10. JazzArtFestival in Schwäbisch Hall – Fazit von Hans Kumpf

Foto: Kumpf

Stammgäste und Ungewöhnliches zum Jubiläum

Mit seiner zehnte Ausgabe wartete in Schwäbisch Hall das JazzArtFestival auf. Die Konzeption mit vier Veranstaltern (städtisches Kulturbüro, Jazzclub, Konzertkreis „Triangel“ sowie das örtliche Goethe-Institut) und mit der barocken Hospitalkirche als Hauptaustragungsort hat sich bewährt.

Emil Mangelsdorff - Foto: Kumpf

Die heiße Phase der mit allerlei „Extras“ angereicherten vorösterlichen Feierlichkeiten währte fünf Tage. Begonnen wurde mal wieder mit einem „Oldie“ der Szene, nämlich mit Emil Mangelsdorff und seinem Quartett (Pianist Thilo Wagner, Bassist Jean Philippe Wadle, Schlagzeuger Janusz Stefanski). Der 90-Jährige beschränkte sich auf das Altsaxophon und bewegte sich stilistisch vom Swing über Bebop bis zum Hard Bop. Einen Altersbonus muss dem musizierfreudigen Methusalem nicht zugebilligt werden, sein Spiel ist nach wie vor flüssig und seine freie Redekunst gewandt – am Vormittag hatte Emil Mangelsdorff aufmerksam lauschenden Schülern von seinen leidvollen Erfahrungen in der Nazi-Zeit erzählt, als es hieß „Swing tanzen verboten“.

Bjoernstad - Foto: Kumpf

Ketil Bjornstad, Pianist (und Buchautor) aus Norwegen, ist ein gern gehörter Gast in der Salzsiederstadt. Alleine auf der Bühne startete Ketil Bjornstad mit munteren Mozart-Melodien, deren Motive er gerne wiederholte und angejazzt miteinander kombinierte. Da blieb es nicht bei salzburgerischen Lieblichkeiten, vielmehr traktierte Bjornstad schlagkräftig die Tastatur und riss mit den Fingern die Flügelsaiten an. Der Linkshänder agiert oft „basslastig“ – mit Tonrepetitionen und Akkordbrechungen im tiefen Bereich.

Anschließend rauschende Romantik, in die sich immer wieder ein karibischer Calypso einschleicht. Euphorischer Beifall mit begeistertem Gejohle. Zuletzt Bjornstads Eigenkomposition „Floating“, die sich auf die Tsunami-Katastrophe vom Dezember 2004 bezieht und besinnlich Asiatisches erklingen lässt.

Schriefl - Foto: Kumpf

Auch dem Blechbläser Matthias Schriefl und dem Perkussionisten Bodek Janke ist die kleine Bühne unter der Kanzel des längst säkularisierten Gotteshauses nicht neu. Ein vergnüglicher Mix von hochartifizieller Allgäu-Folklore und exotischen Himalaya-Klängen. Der indische Flötist Amith Nadig wurde zwar als „Gast“ tituliert, war jedoch bei aberwitzig schnellen Passagen vollständig in das Ensemble integriert. Seine Landsfrau Nevedita Sharma tat sich als anmutige Tänzerin und traditionsbehaftete Sängerin hervor.

Hilde Holsen - Foto: Kumpf

Für Schwäbisch Hall eine Premiere hatten Gruppierungen aus Skandinavien und Ungarn. Das Trio des schwedischen Schlagzeugers Emil Brandquist (mit dem Finnen Tuomas Torunen am Piano) bot verinnerlichte Lyrismen, während die Band „Food“ des norwegischen Drummers Thomas Stronen multimedial quasi Filmmusikalisches offerierte. Auch der britische Saxophonist Iain Ballamy und die Trompeterin Hilde Marie Holsen hatten an Notebooks elektronisch mit Klangfarben und Geräuschen introvertiert tätig zu sein. Die 26-jährige Gastmusikerin ließ dann mittels Facebook verlauten: “It was so lovely to play together with „Food“ in Schwäbisch Hall. Thanks to JazzArtFestival for letting us come to play in a really beautiful church with great acoustics.”

Harcsa - Foto: Kumpf

Für die Vokalistin Veronika Harcsa bedeutete das Gastspiel in Hall keinesfalls ein Deutschland-Debut, hat sie doch schon mit dem nordbadischen Trompeter Thomas Siffling kooperiert. Balint Gyemant hatte seine Korpusgitarre mit einem einfachen Tonabnehmer bestückt und gefiel als galanter Begleiter.

Das musikalische Weltverständnis beiden Magyaren ist liberal und grenzenlos. Da ließen sich beispielsweise brasilianische Samba-Rhythmen, spanischen Flamenco und nordamerikanischen Blues heraus hören. Außerdem setzte Balint Gyemant die einst von Stanley Jordan entwickelte „Touch Technik“, bei der die Saiten mit der Greifhand angeschlagen werden, ein. Und Veronika Harcsa vermag einerseits mit klassisch-reinem Sopran zu singen und andererseits in tieferer Tonlage mit kontrollierter Ekstase zu bluesig shouten.

Abou-Khalil - Foto: Kumpf

Ein Debut in der Stadt der Freilichtspiele und der Bausparkasse hatte Rabih Abou-Khalil zu verzeichnen. Der in München wohnhafte Libanese stellte sich im gewohnten Trio mit dem amerikanischen Schlagzeuger Jarrod Cagwin und dem italienischen Akkordeonisten Luciano Biondini vor – und der Oud-Virtuose begeisterte auch in Hall mit lustigen Sprüchen und lebhafter Musik zwischen Orient und Okzident.

Der letzte Festivaltag fand außerhalb der Hospitalkirche statt. Eine Sonntagsmatinee in der Kunsthalle des Schraubenmilliardärs Reinhold Würth gehört zum Ritual des Haller JazzArtFestivals. 2013 begeisterte dort der mittlerweile 37-jährige Michael Wollny mit einem Solo-Recital, nun brachte er als Duo-Partner den Saxophonisten Heinz Sauer (83) mit. Tiefgehende und aufgeweckte Musik zu geradezu morgendlicher Stunde.

Sauer Wollny - Foto: Kumpf

Berstende Intensität bedeutet bei dem Frankfurter nicht Schnelligkeit und Lautstärke. Sein Ton ist eigentlich ein expressives und obertonreiches Geräuschklanggemisch, wirklich unverkennbar im Sound. Wollny greift gerne ins Flügelinnere (in diesem Fall ein japanischer „Kawai“) und zupft exakt und melodisch Saiten an. Free Jazz verbündet sich zuweilen mit Pop-Hits -eine unvergessliche Performance vor raffinierten Nagelkunstwerken Günther Ueckers.

Stanley Clarke - Foto: Kumpf

Das reichhaltige Arsenal von Instrumenten und Elektro-Equipment der Stanley Clarke Band hätte nicht auf die mit Evangelisten und Barockengeln geschmückte Kirchenbühne gepasst. So fand das Finale im Haller „Neubau“, einem ein halbes Jahrtausend alten ehemaligen Zeughaus, statt. So ein langes und effektvolles Bass-Solo wie jenes von Stanley Clarke (64) war auf dem JazzArtFestival zuvor nie zu hören gewesen. Drummer Mike Mitchell bekräftigte, dass sein Instrumentarium mitunter als „Schießbude“ bezeichnet werden kann. Das furiose Quartett wurde vervollständigt durch Cameron Graves an Synthesizern und den jungen georgischen Pianisten Beka Gochiashvili. Die Publikumsanmache nach Art des Musikantenstadls hätte sich der Star am Kontrabass und an der Bassgitarre freilich ersparen können.

Schwäbisch Halls Kulturbeauftragte Ute Christine Berger zählte zusammen – 1869 Besucher seien zu den neun Konzerten des Kernprogramms gekommen. Udo Eberl lobte in der Ulmer Südwestpresse die „beflügelte und emotional tief berührende Konzerte“ des Festivals. Für 2017 darf man sich bereits den 20. bis 26. März vormerken.

| Internationales JazzArt Festival Schwäbisch Hall

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner