Wieder ein Neuanfang mit Zukunft

Weikersheim – Im beschaulichen Bodensee-Städtchen Allensbach ging es vor geraumer Zeit hart zur Sache, als die Meinung von Bernd Konrad gefragt war. Er hatte dort nämlich quasi hochzurechnen, wer in das neu formierte Jugendjazzorchester des Landes Baden-Württemberg aufgenommen werden konnte. Die Wahlentscheidungen fielen dem aus Konstanz kommenden und an der Stuttgarter Musikhochschule lehrenden Professor nicht leicht, denn die über fünfzig angereisten Bewerber wiesen ein erfreulich hohes Niveau auf. Die Allerbesten im Südwesten wurden vom Landesmusikrat für April ins hohenlohisch-fränkische Weikersheim eingeladen, um dort vier Tage lang gemeinsam zu proben.

Im seit 1981 bestehenden Jugendjazzorchester begann schon so manches Talent seine Karriere. Einstigen Youngsters mutierten mittlerweile gar zu gestandenen Professoren, man nenne hier den Saxofonisten Steffen Schorn und den Bassisten Mini Schulz. Das Höchstalter der Instrumentalisten im „JJO“ ist mit 25 Jahren festgesetzt, dann muss oder darf wieder jüngerer Nachwuchs ran. Schon vor einem Vierteljahrhundert studierte die damalige Landeselite der swingenden Art als eines der ersten Stücke „It’s Oh, So Nice“ ein, und die fetzige Count-Basie-Nummer hat heuer nichts von ihrer Schlagkraft verloren.

Auch im Jahre 2007 ermuntert Bernd Konrad seine Schützlinge, mit dynamischen Abstufungen und mit der Power nicht zu geizen. Ohrwurmig bleiben da gleichfalls Dizzy Gillespies „Manteca“ und der Joe-Zawinul-Hit „Birdland“ samt agiler Gesangsgruppe. Eine diffizile Aufgabe, innerhalb von drei Tagen eine Big Band zusammenzuschweißen und diese dann bei einem Abschlusskonzert in der Weikersheimer Stadthalle zu präsentieren. Aber da bleibt Bernd Konrad „cool“ – darin hat er Erfahrung, und auf sein begeistertes Dozententeam kann er sich verlassen: Anika Koese (Trossingen) für den Gesang, der Pianist Martin Johnson (Herrenberg) für die Rhythmusgruppe, Christian Meyers (Stuttgart) für die Trompeter und Christian Kramer (Stockach) für den Posaunensatz.

Marie-Luise Dürr, die außer dem Jugendjazzorchester in Baden-Württemberg noch alle drei Jahre den Wettbewerb „Jugend jazzt“ organisiert, fällt auf, wie „hellwach und aufnahmebereit“ die Jungs bei jedem einzelnen der Dozenten, von denen jeder ja eine ganz individuelle Note vermittelt, waren.

Mit dem Tobias Becker verfügt man im Klangkörper erneut über einen begnadeten Arrangeur. So bearbeitete der Böblinger Pianist die Bill-Evans-Komposition „Waltz For Debby“ und mit „Quartessence“ schuf er ein vollständig eigenes Werk. Doch bei allen kompositorischen Vorlagen, die exakt zu interpretieren sind, wird unter Bernd Konrad die Wichtigkeit der Soli nicht unterschätzt: Improvisieren als das Primat allen Jazzmusizierens. 

Als Gewinnerin dieser Sparte darf 2007 wohl Katharina Brien gelten. Instrumentalunterricht genießt die Fellbacher Altsaxofonistin bei Ruth Göhrig, die selbst einmal gelehrige Schülerin von Bernd Konrad war. Und nun bläst Katie rasant und riskant abstrakte Bebop-Linien – Charlie Parker hätte seine Freude daran gehabt….

Bassposaunist Stephan Grötsch lernt und lebt derzeit im Internat des Schulzentrums in Michelbach/Bilz. Euphorisch äußert er sich über die Tage an der Musikalischen Bildungsstätte Schloss Weikersheim und lobt besonders die gute Gemeinschaft und das „super Arbeitsklima“. Der 20-Jährige fügt hinzu: „Die Arbeit mit den Dozenten machte sehr viel Spaß, gutes Zusammenspiel, sehr gute Stimmung“. Ohne eine demoskopische Umfrage bei den Teenagern machen zu vollen – Grötsch spricht da wohl für alle seine Kolleginnen und Kollegen.

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