Text und Photo: Hans Kumpf
Mit Ludwig Güttler präsentierte sich ein weltweit geschätzter Trompetenvirtuose im gut gefüllten Haller Neubausaal. Der Dresdner brachte das „Leipziger Bach Collegium“ mit und ließ neben Barockem auch Vorklassik erschallen. Als Veranstalter fungierte die in Solingen ansässige Agentur „Bubu Concerts“.
Auffällig zahlreiche Zeitungsinserate wurden für das „Meisterkonzert“ von Ludwig Güttler geschaltet, doch selbst im Internet konnte man die genaue Programmfolge nicht erfahrbar machen. Am Abend stellte sich heraus, dass die im Konterfei so groß herausgestellte Gallionsfigur nur bei drei der sieben zu spielenden Werken auf der Bühne weilte. Der 70-jährige Bläser schonte sich zwangsläufig – schließlich erfordert ein derartiges intensives Musizieren hohe Lippenspannungskraft, viel Puste und feste Zähne. Sein wiederholtes Pausieren war also verständlich.
Die Mitstreiter vom „Leipziger Bach Collegium“ interpretierten in Abwesenheit Ludwig Güttlers akkurat Kompositionen von Georg Philipp Telemann, Antonio Vivaldi, dem akribisch „kontrapunktischen“ Johann Sebastian Bach und dessen Sohnemann Johann Christian mit gefälliger Salonmusik der Vorklassik. Immer wieder glänzte Bernd Schober mit seinem feinen Oboenspiel. Den „basso continuo“ besorgte, kongenial unterstützt durch den Cellisten Michael Pfender und den polnischen Kontrabassisten Slawomir Rozlach, am Cembalo Friedrich Kircheis, der ja als Organist zusammen mit Güttler seit 1974 im Duo auftritt. Solistische Funktionen in dem zwischen Quartett und Septett operierenden Ensemble erfüllen noch der Flötist Karl-Heinz Passin und der Geiger Roland Straumer.
Zu Beginn stand die Sonate Nr. 1 in C-Dur von dem um 1660 im mährischen Olmütz geborenen und später in England tätigen Gottfried alias Godfrey Finger. Ludwig Güttler zelebrierte da auf seiner kleindimensionierten Trompete mit der lieblichen Oboe ein schönes Wechselspiel. Als Schluss des ausgedruckten Programms war das in der gleichen Tonart gehaltene „Concertino“ mit den Sätzen Largo-Vivace-Siciliano-Vivace von Telemann gesetzt. Äußerst anspruchsvoll für die Trompete, emotional sehr tiefgründig die Oboenstimme.
Man vergegenwärtige sich: Die Trompete der Barockzeit war eine bessere Fanfare, welche gemäß der Naturtonreihe in der tiefen Lage nur größere Intervalle und diatonische Tonfolgen nur im hohen Register zuließ. Erst dem Klassiker Joseph Haydn war es nach einem instrumentenbautechnischen Fortschritt vergönnt, für eine durchweg die Chromatik – also sämtliche Halbtöne – beherrschende Trompete komponieren zu können.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts lebte ein anonym gebliebener Komponist, der ein Concertino in Es-Dur für ein „Corno da Caccia“ schuf. Für Ludwig Güttler wurde eigens ein derartiges Miniatur-Waldhorn kreiert, wobei er den Vierventiler – wie bei Trompeten üblich – mit der rechten Hand bedient. Der Klang entwickelt sich dank der konischen Form weich und geschmeidig. Als das Cello und die Violine die Saiten zupften, kam bei dem dreisätzigen Opus geradezu ein „swing feeling“ auf.
Die zwei kurzen Zugaben waren geprägt durch Rasanz und Furiosität: Eine Barocktrompete mit Glanz und Gloria.
Ludwig Güttler lehrte – wie Günter Baby Sommer (dem demnächst ein eigenes „Weekend“ in der Hospitalkirche gewidmet ist) – professoral an der „Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresden“. Der Jazz-Drummer lobt seinen gleichaltrigen Kollegen: „Er ist ein fast so guter Politiker wie er Trompeter, Musiker und Künstler ist. Und das zeichnet ihn aus! Er geht mit sehr wachen Augen durch’s Leben – seine Ohren sind sowieso geschärft. Ein politischer Musiker unter den Klassikern – welch wunderbare Seltenheit!!!“