Tonkult mit „Silver Screen“ im Mainzer „Lomo“, 19. Mai 2016

Foto: Mümpfer

Im überfüllten Gewölbe des Mainzer „Lomo“ fühlt sich der ältere Besucher an die Jazzkeller vergangener Zeiten versetzt. Schummriges Licht, vorne spielt eine Band vorzüglicher Jazzmusiker, hinten plaudern die Gäste. An diesem Abend stehen fünf Musiker des Kollektivs „Tonkult“ auf der Bühne. Kerstin Haberecht mit Alt- und Sopransaxophon, Gitarrist Lukas Roos, Bastian Weinig am Kontrabass, Schlagzeuger Pit Marquardt und Nicolas Hering an den Keyboards. „Es ist das Vorstands-Quintett von Tonkult“, flachst Marquardt. „Eigentlich ist es fast egal, woher die Einflüsse der Band kommen“, sagt der Drummer, der die Musik zwischen dem erdigen Approach des zweiten Miles Davis-Quintetts und dem progressive Rock der frühen Genesis bis zu Yes verortet.

„Silver Screen“ nennt sich die Gruppe aus dem Umfeld der Mainzer Hochschule für Musik, die ausschließlich eigene Kompositionen mit traumwandlerischen Interaktionen präsentiert. Die fünf Musiker bewegen sich im breiten Bett des zeitgenössischen Mainstream, bestechen mit Klangfarbenspielen, Rhythmen und reizvollen Soli. “September“ nennt Marquardt seine Komposition mit den filigranen Gitarrenlinien, den sanften Läufen Haberechts auf dem Altsaxophon und dem Bass-Solo zu den sparsamen Einwürfen Herings auf dem Piano. Flott im Tempo präsentiert das Quintett Weinigs „November“ mit dem straight gezupften Bass, den perlenden Pianoläufen und dem swingenden Schlagzeug. Gitarre und Altsaxophon treffe sich wie mehrmals an diesem Abend im Unisono und die Band steigert die Spannung durch ostinate Kollektive. Klangfarbenspiele in der Mehrstimmigkeit kennzeichnen „Unforgettable Colours“. Expressiv bläst Haberecht ihr Instrument zu dem pulsierenden Spiel des Drummers. Getragenes Bass-Solo und schwebende Gitarrenlinien bestimmen „Stille Schöne, schöne Stille“. In der Up-Tempo-Komposition „Dudette“ besticht Gitarrist Roos mit Hochgeschwindigkeitsläufen, findet das Quintett zum freieren Spiel. Lyrisch mit dem Kontrast von dunkel gefärbtem Piano und heller Gitarre klingt Herings „Wintersong“. Der Pianist kostet die Klänge des Keyboards von beseelten Linien bis zu den wuchtigen und treibenden Akkordschichtungen aus, während Roos seine differenzierenden Läufe zupft.

Das Publikum im Lomo ist begeistert. Die Mehrzahl sind Studierende der Hochschule, doch ansonsten scheint der Jazz keine Altersgrenzen zu kennen.

„Tonkult“ hat zum Ziel, Jazz als einen wichtigen Bestandteil des kulturellen Lebens in Mainz sichtbar zu machen, den Leuten zu zeigen, wie lebendig, spannend und hörenswert die heimische Szene ist, sagt der Vorstand. Der Auftakt mit dem Daniel Stelter-Trio und das kommende Konzert mit dem Sebastian Sternal Trio sowie dem Trompeter Frederik Köster scheinen „Tonkult“ zu bestätigen.

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