Swing der noblen Art


Fotografien & Text: Hans Kumpf 

Noblen Jazz, vorwiegend im historischen Swing-Stil, präsentierte der Waiblinger Klarinettist Peter Bühr mit seinem Quartett in der Stadtbücherei von Murrhardt. Als Stargast war aus den USA der versierte Pianist Johnny Varro (81) angereist. Das aufmerksam und konzentriert lauschende Publikum spendete bereits nach den ersten Tönen begeisterten Applaus.

Murrhardt. Johnny Varro wurde am 11. Januar 1930 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren, als 16-Jähriger bereits spielte das Wunderkind Klavier bei dem legendären Trompeter Bobby Hackett, musizierte später mit vielen weiteren Jazzgrößen und vor allem in TV-Shows. Mittlerweile hat sich der gut zwanzig Jahre jünger wirkende Künstler in Florida niedergelassen. Und dort trifft er sich seit einem Vierteljahrhundert immer wieder mit dem umtriebigen Klarinettisten und Organisator Peter Bühr aus Waiblingen. Erneut hat dieser seinen amerikanischen Freund nach good old Germany eingeladen.

Elegant und galant greift der rothaarige Johnny Varro in die Tasten und lässt den schwarzen Benny-Goodman-Pianisten Teddy Wilson als ein Vorbild erkennen. Gerne improvisiert er mit der rechten Hand einstimmige Melodien („horn lines“), geizt aber auch nicht mit Blockakkorden. Harmonisch und rhythmisch ist alles schön traditionell abgerundet. Kompliment: Mit 81 sind bei ihm keinerlei Altersschwächlichkeiten herauszuhören. 

Varro fühlte sich sichtlich wohl im Heinrich-von-Zügel-Saal im Gebäude der Stadtbücherei. Die Gemälde der Städtischen Kunstsammlung hatten es ihm angetan – beispielsweise Reinhold Nägeles „Murrhardter Viehmarkt im Regen“ aus dem Jahre 1932. Das Ambiente stimmte – und der Flügel auch. Ein besonderes Lob des erfahrenen Klavierkünstlers für das edle Bechstein-Instrument.

Varro ist nicht alleinig dem Swing verhaftet. Da macht er gerne einen Ausflug zum brasilianischen Bossa Nova mit, und er verehrt Johann Sebastian Bach. So variierte er in einem interessanten Solo-Feature nach einer Idee von Claus Ogermann vom Leipziger Thomaskantor gewitzt das sechsachteltaktige „Siciliano“ aus der Flötensonate Es-Dur (BWV 1031). Es muss ja nicht nur und unbedingt Jacques Loussier und sein „Play Bach“ sein…

Doch im Mittelpunkt stand das gemeinsame „Jammen“ im Quartett, wo zumeist in den 30er Jahren komponierte Themen als Ausgangsmaterial dienten. Peter Bühr bewährte sich als kundiger Geschichtenerzähler und verwandelte das Konzert fast in eine spannende Lehrveranstaltung in Sachen Jazz. Im Repertoire der ad-hoc-Band befanden sich vertraute Standards wie „Memories Of You“ des eigentlichen Ragtime-Pianisten Eubie Blake, „Rosetta“ von Earl „Fatha“ Hines oder das durch Benny Goodman bekannt gewordene „Moonglow“ sowie die Duke-Ellington-Nummer „In A Mellow Tone“. Die Melodien und Harmonien hatte man ohnehin auswendig im Kopf, einzige wichtige Festlegung war die Tonart. Als Improvisatoren dominierten Varro und Bühr.

Als Delikatesse für Schlagzeuger gilt zweifellos „Cute“ von Neal Hefti. Der 1949 in San Francisco geborene und seit geraumer Zeit in Göppingen wohnhafte Will Lindfors nutzte die Chance und zauberte in bestem Timing die „fill ins“ hin. Auch ansonsten agierte Lindfors subtil und sensibel vor allem mit Besen, kaum setzte er die Stöcke ein. So konnte das Quartett bis auf Ausnahme des Kontrabasses „unplugged“, also ohne elektrische Verstärkeranlage, musizieren. Als Bassist kam nicht, wie angekündigt, Wolfgang Mörike, ein swingender Nachfahre des schwäbischen Dichters Eduard Mörike, sondern Helmut Siegle. Peter Bühr selbst blies im drei Stunden währenden Konzert außer Klarinette zuweilen auch ein gebogenes Sopransaxophon, jeweils recht flüssig und gerne glissandierend.

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