Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Raffinesse durch Streicher
Der Pianist Till Vogelgsang greift eine Folge lyrischer Akkorde auf dem Flügel, sein Cellist streicht romantisch inspirierte Harmonien. Später tauchen in der Mehrstimmigkeit Dissonanzen und elektronische Sounds auf, der Drive nimmt zu und mündet in fließende Melodielinien. Im überfüllten „Roten Saal“ der Musikhochschule der Mainzer Universität lauschen die Zuhörer gebannt der Eigenkompositionen „Swedish Breath“ und „Magnolia“ des Studenten.
Die gleiche Konzentration und Aufmerksamkeit schenken sie der jungen Sängerin Maria Kaulbarsch und ihrer Combo, die ihre Komposition „Marionette“ mit dem metallischen Klang ihres kleinen, roten Toy-Pianos einleitet und die Formation mit einem Streichquartett ergänzt.
Eigenkompositionen und ausgefallene Besetzungen waren die einzigen Vorgaben für die Auftritte der Bands an diesem Abend, deren Musik Diplom-Tonmeister Moritz Reinisch direkt auf CD festhält. Es gibt weder Manipulationsmöglichkeiten noch Wiederholungen Overdubs oder elektronische Einspielungen bei der Aufzeichnung, betont Jesse Milliner, Prorektor und Leiter der Jazz-Abteilung der Musikhochschule, in seiner Moderation. Eine Jury habe die Studenten mit jeweils eigener Gruppe ausgewählt, die an diesem Abend dem Publikum ihre künstlerische Leistung demonstrieren dürfen.
Das Sextett der Trompeterin Heidi Bayer, die Gruppe „Vier haben Recht“ der Saxophonistin Kerstin Haberecht, der Sängers Kai Werth im Duo mit dem Bassisten Markus Wach sowie die erweiterten Combos von Till Vogelgesang und Maria Kaulbarsch faszinieren mit ausgereiften Kompositionen. Sie sind in der harmonischen sowie rhythmischen Tradition des Jazz verwurzelt und gewinnen durch die zusätzlichen Streicher an Raffinesse und Klangfarben. In kurzen Interviews gestehen die studentischen Bandleader, dass die Neufassung der Stücke trotz des Coachings durch den Saxophonisten Claudius Valk eine Herausforderung war. Im ersten Teil des Konzertes nähern sich die Komponisten eher der melodiösen Singer-Songwriter-Schule, im zweiten gleichsam als Kontrastprogramm dem groovenden Bebop.
Perfekte Technik und spannungsreiche Kompositionen stehen bei diesem außergewöhnlichen Projekt, das vom Gutenberg Lehrerkolleg gefördert wird, gleichermaßen im Mittelpunkt. Virtuos ist die Stimmführung von Kai Werth, sensibel die Reaktion des Bassisten Markus Wach. Alle Vokalisten scatten vorzüglich, modulieren mit abgetfuter Adynamik und präsentieren anspruchsvolle deutsche Texte vom Protestlied Werths gegen den Krieg bis zu folkloristisch inspirierten Songs Kaulbarschs.
Expressiv sind die Läufe der Saxophonistin Kerstin Haberecht und kraftvoll das Spiel ihrer Begleiter. Treibend und klar strukturiert erklingen die Kompositionen von Heidi Bayer mit Trompete und Flügelhorn in der Zweistimmigkeit mit dem Sopransaxophon Haberechts und den Pianoläufen Ulf Kleinerts. Eine der eigenwilligen Kompositionen ist so neu, dass sie noch keinen Titel trägt.
Der Wettbewerb und das Livekonzert vor dem Publikum mit dem Direktschnitt fordern von den Musikern volle Konzentration und technisches Vermögen. Auftritt und CD sollen nach Milliners Worten den Studierenden „Impulse geben, kreativ zu werden“. Zu welch hoher kompositorischen und instrumentalen Reife die Jazzmusiker unter der Anleitung der Lehrenden im Jazzbereich der HfM schon nach wenigen Jahren gelangen, beweist dieses Studiokonzert deutlich.
Kein Wunder, dass in der Pause der Stand für die Vorbestellungen der CD von Interessenten umlagert ist. Die Scheibe soll in drei bis vier Wochen fertig sein, verspricht Reinisch.