Barbara Bürkle sang in der Haller Hospitalkirche

Barbara Bürkle Quartett - Foto: Kumpf
Text und Photos: Hans Kumpf

Spaßiger Jazz an einem Sommerabend

Der 22. Mai 2014 – was für ein Tag: Der französisch-armenische Chansonnier Charles Aznavour feierte seinen 90. Geburtstag, der kosmopolitische Avantgarde-Jazzer Sun Ra wäre 100 Jahre alt geworden, diverse Jazz-Echos wurden in Hamburg an swingende Leute verteilt – und in der säkularisierten Hospitalkirche von Schwäbisch Hall spielte Barbara Bürkle mit ihrer Band auf.

Nach Anne Czichowsky brillierte mit Barbara Bürkle wieder eine wirkliche Jazzerin in Hall, die nicht nur englischsprachige Songs reproduziert, sondern das kreative Improvisieren als natürliche Selbstverständlichkeit versteht. Lieder ohne Worte, das Stimmorgan quasi instrumental eingesetzt – „Scat“ eben, so wie es einst die unvergessliche Ella Fitzgerald praktizierte. Lustvoll interagiert da die 1979 in Böblingen geborene Künstlerin mit ihren Band-Kollegen – mit der aus Südkorea stammenden Pianistin Gee Hye Lee (Jazzpreis Baden-Württemberg 2012), dem Tenorsaxophonisten Alexander „Sandi“ Kuhn (Jazzpreis Baden-Württemberg 2013), dem Kontrabassisten Jens Loh und dem Schlagzeuger Daniel Mudrack. Unbändige Spielfreude zeichnet dieses agile Quintett aus. Auch wenn man stilistisch ziemlich traditionell agiert, so verharrt diese Gruppe nicht auf ausgelatschten Pfaden – vielmehr werden munter kommunizierend neue Wege gesucht und gefunden.

Der Beatles-Hit über die vereinsamte „Eleanor Rigby“ wurde schon von etlichen Jazzern aufgefrischt, beispielsweise von dem afroamerikanischen Geiger Don „Sugarcane“ Harris oder dem polnischen Gitarristen Jarek Smietana. Und auch Barbara Bürkle beließ es nicht bei einer belanglosen Cover-Version, als sie leidenschaftlich solierte und in einem Duo mit dem Bass eine ganz eigene kreative Note einbrachte. Eigenwillig interpretiert und erweitert wurde auch Billy Joels im Fünfachteltakt rockende Nummer „I Go To Extremes“.

Den antiken Jerome-Kern-Song „Look For The Silver Lining”, den vor Jahrzehnten bereits Judy Garland und Chet Baker erfolgreich aufgriffen, erkor die intonationssichere Mezzosopranistin zum Titelstück ihrer jüngsten CD. Nach der geziemenden Themenvorstellung folgte ein langes Klaviersolo mit feinsinnig herausgearbeiteten Spannungsbögen samt verdichtenden Akkorden als auch im Diskant glitzernden Highlights, wobei Schlagzeug und Bass hellwach korrespondierten. Alsbald kam Barbara Bürkle in der digitalen Neuzeit an. Dank eines roten Kästchens, einer „Loop Station“, konnte sich die Sängerin akustisch multiplizieren – Chorisches und Hymnisches zum Schluss.

Zudem bewährte sich die versierte Vokalistin Barbara Bürkle beim Evergreen „Joy Spring“ des US-Trompeters Clifford Brown wahrlich freudespringend als „pfiffige“ Artistin und erinnerte solcherart an den niederländisch-deutschen UFA-Star Ilse Werner.

Barbara Bürkle - Foto: Kumpf

Barbara Bürkle, die seit drei Jahren einen Lehrauftrag für „Jazz/Popgesang“ an der in Tübingen angesiedelten „Hochschule für Kirchenmusik der Evangelischen Landeskirche in Württemberg“ innehat, erweist sich nicht nur als gewiefte Arrangeurin, sondern auch als geschmackssichere Komponistin. Die nie rührselige endenden Balladen „Home Is Where You Are” und „Everything Allowed“ stammen aus ihrer Feder und gewähren ihrer Schöpferin genügend Freiraum für spontane Vokalaktionen, und Sandi Kühn bläst mit seinem Tenor wahrlich eine „heiße Kanne“.

Hot Jazz, modern und mit überschwänglichem Vorwärtsdrang an einem Sommerabend, der einen gewöhnlichen Wochentag zu einem Festtag macht. So eine Art von Jazz mit Herz und Hirn bereitet Spaß – den Machern und dem Publikum, egal zu welcher Jahreszeit.

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