Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Das letzte Konzert der Jazzinitiative Mainz (jim) vor der Sommerpause beginnt mit einem orgiastischen, pulsierenden Free-Kollektiv und endet bei „Elf-Zehn“ mit Geräuschcollagen aus Zungenknallen und Instrumentenklappen auf dem Sopransaxophon, „Schreien“ auf dem Akkordeon, gestrichenem Kontrabass sowie ungebundenem Schlagzeug. In den zwei Stunden dazwischen verschmelzen die vier Musiker von „No Tango“ Jazz, Tango, Rhythmen und Skalen aus dem Orient, Folklore aus der Schweiz und Klassik aus Japan oder Indien zu einer expressiven, meist treibenden sowie groovenden Mixtur ganz originärer Ausprägung. Das Quartett um Christina Fuchs an Sopransaxophon und Bassklarinette nennt sich zwar „No Tango“, lässt Grundstrukturen und Harmonien des „Tango nuevo“ aber immer durchklingen. Das Quartett zerlegt ihn, um daraus Neues aufzubauen. Titel wie „Tangomat“ „Haiku“ oder „Buddha“ weisen darüber hinaus auf die vielfältigen Einflüsse hin, die das Quartett in seinen Stücken verarbeitet.
Bei aller neutönerischer Expressivität und Aggressivität bleibt die Musik von „No Tango“ immer leicht und luftig mit einem melancholischen Unterton. Den Sound bestimmen die Sopransaxophonistin Christina Fuchs und Akkordeon-Spieler Florian Stadler in emotionalen Soli sowie in ein-oder oder mehrstimmigen Duos. Die enorm groovende rhythmische Basis legen die oft straight zupfende, in den Soli disharmonisch streichende Bassistin Ulla Oster und der differenzierende sowie auf präzise abgestimmten Fellen trommelnde Christoph Hillmann.
In der Komposition, „Zoe and me“, die Christina Fuchs ihrer Tochter gewidmet hat, „parlieren“ und „plaudern“ Saxophon sowie Akkordeon in luftigen Stakkati, in „Circle“ mit einer Bass-Intro lassen Fuchs und Stadler ihr mehrstimmiges Duo um ostinate Melodiefiguren kreisen, während Hillmann nahtlos Tempo und Metrum wechselt.
Christina Fuchs ist in dem Quartett die expressive und extrovertierte Künstlerin, Florian Stadler der introvertierte und emotionale Virtuose auf dem Akkordeon. Hier überblasene Spitzen und Mittellagen auf dem Saxophon, dort schwelgende und zuweilen zarte Highnotes auf den Tasten des Balgeninstruments. In „Versatile“ folgen dem frei harmonischen Bogenspiel auf dem Kontrabass flächige Klangfarben auf Bassklarinette und Akkordeon, in „Haiku“ bestimmt ein rasend schnelles Duo von Bass und Akkordeon den Charakter der Komposition.
„ No Tango“ fasziniert die Zuhörer im Haus der Jugend mit einer kreativen und virtuosen Vielfalt, ungewohnten Klangfarben und grenzgängerischen Experimenten in traumhaft sicheren sowie humorvollen Interaktionen. Die Parts der vier Musiker sind dicht verwoben und vielschichtig, die Struktur der Kompositionen offensichtlich notiert. Dennoch bleibt den Solisten viel Raum für freie Improvisationen. Das Kölner Quartett beweist, dass innovativer Jazz mit Spielwitz und Spontanität gepaart sein kann.