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Wieder einmal Balkanklänge in Hall – aber ganz anders. Der Frauenchor „The BulgarianVoices – Angelite“ ließ am 2. Advent in der Hospitalkirche Außergewöhnliches erklingen.
Schwäbisch Hall. Aus dem Balkan kommen – besonders bei Jazzfestivals – immer wieder exotisch-virtuose Überraschungen mit rumänischen Zigeunerkapellen oder bulgarischen Frauenchören. So faszinierte an Ostern 1996 der 22-köpfige Chor „Le MystèreVoixBulgares“ die Besucher des Stuttgarter Theaterhauses.Dieses südosteuropäische Ensemble zeigte, wie viel Neues und Unerhörtes den mit „belcanto“ aufgewachsenen Mitteleuropäern traditionsgebundene Volksmusik bescheren kann.
Auch die gemeinsam vom örtlichen Jazzclub und vom städtischen Kulturbüro bestrittene Reihe „Jazztime“ hatte ein offenes Ohr für derlei interessante Musik und lud kurzfristig eine andere Formation mit ausschließlich femininen Stimmen nach Schwäbisch Hall ein, nämlich „The BulgarianVoices – Angelite“. „Engelsgleich“ singen die Damen nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr über…
Unter der Leitung des 50jährigen Komponisten GeorgyPetkov präsentierten die 19 Vokalistinnen in der Hospitalkirche weniger archaische Volksmusik als subtil Auskomponiertes. Freilich basiert die Klangerzeugung meist noch auf typisch bulgarische Eigenheiten, sei es das vibratolose Singen der homophonen Linien oder die fast mit einem Glottisschlag beginnenden und dann starr und statisch weitergeführten Töne. Alles auswendig, höchste Disziplin und absolute Intonationsreinheit – Respekt!
Der erste Konzertteil gab sich besonnen und weihnachtlich-klerikal. Langsame Tempi herrschten vor. Einen Exkurs zur russisch-orthodoxen Kirche machten die Bulgarinnen, als sie eine englisch „BlessedBe The Lord“ benannte Komposition vonPjotr Iljitsch Tschaikowski interpretierten. Die Sopran- und Altstimmen –eben ohne männliche Tenöre und Bässe – erklangen inbrünstig und meisterten die rhythmischen Schwierigkeiten bestens. Ebenso präzise dirigierte GeorgyPetkovdas Stück “Sviatii Boje” (“Heiliger Gott”) des bulgarischen Avantgarde-Komponisten Ivan Spassov (1934-1997), der einst auch bei den von Stockhausen und Boulez dominierten Darmstädter Ferienkursen überzeugen konnte. Überhaupt nicht dissonant, sondern fast schon wohltönend, wirkten hier die irisienden Cluster-Ballungen, wie sie von den in bunten Volkstrachten gewandeten Frauen vorgetragen wurden.
Nach der Pause zunächst schnellere Weisen ohne weihnachtliche Bezüge. Da ging es um die Liebe, Schönheit, Einsamkeit und Tiere. Auch die Choreographie auf der Bühne wurde gelockert. Aus dem im Halbkreis postierten Chor traten immer wieder als Terzett oder Quartett kleine Gruppierungen und Solistinnen wie die ausgezeichnete Sopranistin Biserka Danovia-Pilarska hervor.
Leider musste das aufmerksame Publikum in der Hospitalkircheerklärende Worte in Schriftform oder durch Ansagen vermissen. Ein Lied wurde schlussendlich doch erkannt, das durch ein Arrangement von Alexander Josiffov neue und reizvolle Wendungen erfuhr: „Tihanosht, svjatanosht“. Das aus Österreich stammende „Stille Nacht, heilige Nacht“ einmal artifiziell und kitschfrei. Eine zu Recht begeisterte aber mengenmäßig leider zu kleine Zuhörerschaft dankte den hochqualifizierten Künstlerinnen auf das Herzlichste.