New Jazz Meeting 2008: Ikue Mori´s & Zeena Parkins´ „Phantom Orchard Orchestra“ in Mainz, 30. November 2008

Vor dem Konzert sitzt die Harfinistin Zeena Perkins einsam auf der Bühne im leeren Saal des Frankfurter Hofes und lässt eines jener ästhetisch feinen, melodischen Soli aus dem großen Saiteninstrument perlen, die einen Teil ihrer Seele widerspiegeln. Später im Konzert werden filigrane akustische Passagen in die elektronischen Collagen aus Laptop-Sounds und diverser Elektronik, integriert verschmelzen zu Mischklängen von Akustik und Elektronik oder stehen krass kontrastierend gegeneinander. Zeena Parkins und die Laptop-Künstlerin Ikue Mori kreieren aus akustischen und elektronischen Tonquellen von Vibraphon, Harfe, French Horn, Trommeln und Glöckchen, von Computern, Wahwah-Pedalen, Delay-Loops, Schleifen und Synthesizern eine erstaunliche Suite aus sieben Sätze, bei denen der erste und zweite aus jeweils zwei ineinanderfließenden Teilen besteht.

Die Musikerinnen zerknittern vor den Mikrophonen Goldpapier, der Synthesizer zwitschert über einem anhaltenden Basisakkord von Cello und Violine, mehrstimmige langsame Passagen werden mit dem Geigenbogen an den Plättchen des Vibraphons abgerundet. Kurze Zeit später lauscht der Zuhörer einer „atmenden Stile“, die beim Händereiben der Künstlerinnen auf der Bühne entsteht. Dazu grummelt das mit der Hand gestopfte Waldorn und mehrere Paukenschläge schließen den Satz ab. Fast meditative, sanfte Passagen wechseln sich mit treibenden, polyphonen und rhythmisch pulsierenden Crescendi ab. Zeena Parkins reißt hart die eigens für sie konstruierte Elektroharfe an, lässt die Läufe mit einem Metallstab sowie einem elektronischen Tonabnehmer glissandieren, während Ikue Mori mit dem Laptop nahezu akustisch klingende Glockenspiele zusteuert. Die E-Harfe knallt, das Cello wird percussiv gezupft. Der folgende Satz wird geradezu kammermusikalisch mit melodischen Harfen-Linien eingeleitet. Darüber schwebt eine verfremdete, artistisch geführte Stimme – liedhaft und exotisch. Grenzüberschreitungen sind selbstverständlich. Rock, Punk, Noise, Jazz fließen ebenso ineinander wie klassische Songstrukturen und abstrakte Soundformen.

„Phantom Orchard“ oder „Geistergarten“ war ursprünglich eine Duo-Komposition, bei der die verschiedenen Klang-Files nachträglich im Studio übereinander gespielt wurden. Weil dies in einem Live-Konzert nicht möglich ist, wurde das Duo Zeena Parkins & Ikue Mori zum „Phantom Orchard Orchestra“ erweitert und die Suite für das SWR-New-Jazz-Meeting neu geschrieben. Für eine Erweiterung des akustischen und elektronischen Klangraumes sorgen neben Zeena Parkins und Ikue Mori die Percussionstin Shayna Dunkelman, die Zeena-Schwestern Margaret am Cello und Sara an der Violine, sowie Maja Ratkje mit Vokal-Akrobatik und Hild Sofie Tafjord mit Frech Horn sowie jeweils Elektronics.
Die Sätze der Suite sind teilweise streng notiert, andere wie der dritte Satz „Faces“ enthalten lediglich grafische Anweisungen in Form eines Koordinatenetzes über den Photos der Orchestermitglieder und wieder andere Passagen werden frei improvisiert. So entsteht eine sinfonische Dichtung, die bei aller Freiheit in sich logisch aufgebaut und geschlossen bleibt. Als Zugabe erklatschten sich die faszinierten Zuhörer eine freie, pulsierende Kollektiv-Improvisation.

(Das Konzert wird am 19 und 26. Februar 2009 jeweils um 23.03 Uhr im Hörfunk SWR2 gesendet. Eine zweite CD des Duos mit dem Titel „Orra“ ist kürzlich bei Tzadik erschienen)

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