Neue Musik von Toni Völker für Inge Besgens „Lebenslinien 6“ in Rüsselsheim

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer

Im September 2008 war Toni Völker an seinem 60. Geburtstag Gegenstand eines Porträtkonzertes am Internationalen Musikinstituts In Darmstadt. Für die Rüsselsheimer „Lebenslinien 6“ schrieb der Komponist für Neue Musik nun selbst fünf Porträtkonzerte über Rüsselsheimer Bürger für das Projekt der Künstlerin Inge Besgen. Dirigiert wurde bei der Veranstaltung im Rüsselsheimer Theater ein Dozenten-Sextett des Instituts von Kushtrim Gashi.
Die Befindlichkeiten des ersten Kandidaten sieht der Komponist offensichtlich konditioniert durch eine Reflektion nach innen mit kalkulierten sparsamen Ausbrüchen. Musikalisch illustriert Völker dies mit dem tragenden Klang der Solo-Violine von Babette Andruk, Portato mit Pizzikati. Kontrastierend spielt Pianistin Sabine Simon kurze romantisierenden Läufe, bläst Georg Birner auf der gestopften Trompete, grundiert Jens Knoop auf der großen Basstrommel. Flötist Johannes Fischer haucht und spricht Texte, die den Porträtierten als Arbeitnehmervertreter offenbaren. „Gut gebrüllt Löwe“, schreibt der Beamer an die Wand.

Der Zweite wird mit Vogelgezwitscher auf der Flöte angekündigt. Das Piano wirft sperrige Akkorde ein, Cellist Peter Wolf streicht geradezu klassisch. Doch die Wechsel zu kraftvollem Spiel des Sextetts deuten vielleicht auf einen Zwiespalt von Leidenschaft und Ratio hin.
Die dritte Person manifestiert sich eher weiblich warm. Das Alphorn unterlegt die Melodie der Flöte, das Cello rundet den Klang ab. Völker lässt ein litauisches Volkslied von fünf wilden Schwänen zitieren.
Das vierte Porträt hebt keck und extroviert an. Birner und Fischer spielen mit Atemgeräuschen in ihren Instrumenten bis die Trompete in ein Streitgespräch mit dem Piano tritt. Fischer lässt die Komposition schließlich mit einer Stierhornflöte sanft bis percussiv ausklingen.
Neue Musik mit ihrer Vielfalt an Klängen und Geräuschen sowie dem unterschiedlichsten Instrumentarium ist für dieses Projekt der Künstlerin Besgen ideal. Fischer verbindet bei Zirkularatmung auf einem Selbstbauinstrument Bassflöte mit Didgeridoo zur exotischer Klangfarbe, Birner bläst auf einer Muschel und Knoop wechselt zwischen Pauke und Schellenbaum. Die akribische Notation der Kompositionen belegt, wie leidenschaftlich Komponist Völker in das Seelenleben eingetaucht ist. Ob die Assoziationen, die die Musik auslöst, die Charaktere der Porträtierten treffen, muss dennoch jeder Zuhörer selbst entscheiden.

Vier Personen sind es traditionell, die Besgen aus Politik, Geschäftswelt, Gesellschaft und Bürgerschaft auswählt. Es sind vier Menschen, die sich gegenüber dem Wesbadener Psychoanalytiker Dr. Rainer Paul „outen“, ihre Lebensläufe und –entwürfe offenbaren. Aus diesen Konversationsanalysen entwirft Paul schriftliche Porträts, die der jeweilige Komponist in musikalische „Lebenslinien“ umsetzt: Richard Heller, Gerold Reichenbach, Edvina Hummel und Bärbel Maul. Dieses Mal ist eine fünfte Komposition dem streitbaren Opel-Arbeitnehmervertreter Klaus Franz gewidmet, der dem Moderator Horst Aussenhof abschließend schlagfertig Rede und Antwort steht.

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