Der Abend beginnt mit einem Scherz. „I love it“, ruft Mike Stern dem Trompeter Randy Brecker zu, als dieser das Geräusch seines Atems kurz und tonlos in dem Instrument stehen lässt. Im Konzert präsentiert sich der 64-Jährige dann als Virtuose der präzise eingesetzten, schmetternden Riffs mit stählerner Strahlkraft gerade in den höchsten Lagen. In den eher getragenen oder gar balladesken Passagen trifft er sich mit dem Gitarristen Mike Stern in melodiösen Unisono-Passagen. Bei einem durch Spielfreude geprägten, fast dreistündigen Konzert der Rüsselsheimer „Jazzfabrik“ im Theater stellte der 1945 geborene und durch seine Mitwirkung bei dem legendären Trompeter Miles Davis ins Rampenlicht katapultierte Gitarrist gemeinsam mit Brecker sowie dem Bassisten Chris Minh Doky und dem Schlagzeuger Gary Husband seine neue CD „“Big Neighborhood“ vor – auch wenn er nur in den Zugaben das Titelstück präsentiert.
„Tumble Home“, ein Up-Tempo-Stück als Opener des Abends, räumt Stern wie Brecker bereits viel Zeit für Soli ein – wie auch die anderen Kompositionen dieses zumeist mitreißenden und begeisternden Konzertes. Dass in dessen Verlauf ein Duo von Gitarre und Schlagzeug mit fast übereinstimmenden Harmonievariationen und zwar präzise in Time getrommelten, aber kaum melodisch gefärbten High-Energy-Ausbrüchen von Husband gleich in mehreren Kompositionen auftauchte, befremdet. Positiv dagegen ist der eher unauffällige, aber den Sound mitprägende Einsatz der Elektronik. Insgesamt fasziniert wie immer bei Konzerten des Gitarristen dessen klarer singender und fast bluesiger Ton in den rockend und zugleich perlenden Hochgeschwindigkeitsläufen ebenso wie in den langsameren schwebenden Soundscapes. In Sterns Spiel klingt hintergründig der Einfluss von Gitaristen wie Wes Montgomery oder Pat Metheney ebenso durch wie die attackierende Percussivität von Saxophonisten wie Sony Rollins und John Coltrane. Mike Stern erkennt der Zuhörer bereits an den ersten Tönen.
Bereits in „K.T.“, der zweiten Komposition des Abend, verbinden sich diese flirrenden Sounds der Gitarre mit dem näselnden Ton der gestopften Trompete, die Brecker im schnellen Lauf mit Vibrato bläst und die auch in den High-Notes warm und melodisch klingt. Husband streicht dazu zart mit den Besen die Becken und Doky zupft eines seiner harmonisch verzierten Bass-Soli, das Stern wiederum mit ostinaten Akkordeinwürfen kommentiert. Ganz anders dagegen das Finale von „Chatter“, in dem nach einer Unisono-Passage Gitarre und Trompeter zum pulsierenden und in der Begleitung meist straight marschierenden Bass auseinanderdriften, um in einem chaotischen Crescendo zu landen.
„Tumble“, „KT“ oder auch „Chatter“ sind noch vom Auftritt Sterns vor fast genau zwei Jahren in Erinnerung. Damals faszinierte der Saxophonist Bob Franceschini mit rauen Glissandi-Läufen und überblasenen Stakkati. Ob die Arrangements nun mit dem High-Note-Trompeter Randy Brecker besser klingen, ist Geschmackssache. Man kann eben nicht „Äpfel mit Birnen“ vergleichen. Dass aber Dennis Chambers auf seinem Drum-Set polyrhythmisch flexibler und melodischer trommelte, ist unbestreitbar.
Geblieben ist indessen der ständige, dramaturgisch geschickte Wechsel zwischen der brennenden Intensität des Rock und den fließenden, bläseroptimierten Linien des Jazz, zwischen energetischem Funk und gefühlvollen Balladen. Melodisch, fast kinderliedhaft schlicht und dennoch raffiniert harmonisiert besticht „Wing and a prayer“ einem ausgedehnten Bass-Solo, mit Aggressivität und Power andererseits „Skunk Funk“.