Marilyn Mazur mit „Spirit Cave“ in Rüsselsheim, 13. März 2014

Soundnebel aus der Höhle

Ein wabender Soundnebel dringt aus der „Höhle“. Cool und getragen drängt sich eine Trompetenlinie in den Vordergrund. Nils Petter Molvaer singt in den Trichter seines Instruments, fängt die Töne in einem Echo ein. Das Flüstern hallt zerbrechlich in dem dunklen Raum des Rüsselsheimer Theaters, während Marilyn Mazur die Stimmung mit Schlägen auf verschiedene Gongs und eine riesige Bass-Drum unterstreicht oder mit Rasseln, Glöckchen und kleine Becken kontrastiert. Gitarrist Eivind Aarset legt einen schwebenden Klangteppich unter Trompetenlauf und Percussion. Elektronik-Spezialist Jan Bang sampelt live die Klänge und spielt sie variiert in zahlreichen Loops sowie Schleifen immer wieder in die Interaktionen der Musiker ein.

„Spirit Cave“ nennt die Percussionistin Marilyn Mazur ihr Projekt mit den drei Kollegen aus dem europäischen Norden, das die „Jazzfabrik“ in einem ausverkauften Konzert präsentiert. Die Musik, mal sphärisch, mal erdig, wechselt ständig zwischen sanften und getragenen sowie kraftvollen, energetischen und ans Crescendo grenzenden Passagen. Molvaer haucht in seine Trompete, um im nächsten Moment das Instrument aufschreien zu lassen. Er explodiert in Stakkato-Läufen mit Hall, während Mazur von heller, metallischer  Percussion zu kraftvollen Breaks auf den Fellen wechselt. Dann  trommelt sie nahezu konventionell ihr komplexes und vielschichtiges Solo, streichelt die kleinen Becken und Glöckchen sowie Stäbe, zupft auf der Maultrommel die Antwort zu den kühlen Linien der Trompete und singt mit mädchenhafter Stimme zugleich Melodie. Dann lauscht sie und setzt den Klang eines Glöckchens präzise an der richtigen Stelle.

Die zu einer Suite ineinander verwobenen Kompositionen leben von dem raffinierten Einsatz der Technik. Live-Elektronik und Loop-Maschinen scheinen das Potential für eine Avantgarde-Konstruktion der Musik zu besitzen. Das gilt sowohl für die Verfremdung der einzelnen Instrumente als auch besonders für das Live-Sampling Bangs. Pulsierende Rhythmen und der kühle Klang der Trompete verschmelzen mit den Sounds der Gitarre, die Aarset in einigen Passagen wie einen ostinat rockenden E-Bass klingen lässt. Die Musik gewinnt an Kraft und Intensität, steigert sich, um dann wieder in sanften Passagen zu verschweben.

Bang windet sich roboterhaft hinter seiner Elektronik, hüpft hingebungsvoll hin und zurück. Molvaer lauscht gebeugt und versunken den Tönen seiner Trompete und Aarset reißt versonnen die schwebenden Akkorde aus seinen Gitarren. Marilyn Mazur gleicht einem trommelnden Derwisch hinter der „Percussionswand“, trommelt mit den Händen auf Bongo und Congas, mit den Sticks und Klöppeln auf dem Drumset.

„Spirit Cave“ gerät so zu einer musikalischen Inszenierung skandinavischer Klangfarben in einem avantgardistischen Gewand. Fast zwei Stunden dunkel getönter Modalmusik, gewagte Improvisationen mit zahlreichen überraschenden Wendungen fordern von den Zuhörern im offene Ohren und die Bereitschaft, ungewohnte Klänge zu akzeptieren. So wird der Abend mit Marilyn Mazurs „Spirit Cave“ zu einem Abenteuer und unvergesslichen Erlebnis. Vor der Zugabe erläutert die Initiatorin, dass die Band in dieser Besetzjung nicht oft auftritt. “Aber das Projekt bereitet uns große Freude“.

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