Magnet Festival für Innovative Musik in Wiesbaden: ein neues internationales Festival von 12.-14. Mai 2023

Der Magnet wird in Wiesbaden ganz in der Nähe des Bahnhofs aufgestellt: im Kulturpark am Schlachthof Wiesbaden haben sich die Organisatoren des Magnet Festivals passende kleinere und größere Spielstätten herausgepickt. Das Festival bespielt das Kesselhaus, die Kreativfabrik und die Skatehalle Wiesbaden, je nach Location-Charakter mit Solokonzerten, bekannteren und unbekannteren Ensembles und mit beim Festival sich erstmals bildenden Formationen – hier unter dem Label “Labore” angekündigt.

Zu letzteren gehören das Zusammentreffen der beiden Vibraphonisten Evi Fillipou und Jim Hart aber auch Projekte von Dan Nicholls. Der ist Keyboarder, “Elektroniker”, Komponist und überhaupt ein kreativer Kopf in vielen Genres. Konsequenterweise ist er als quasi “improviser in residence” gleich in drei Projekten Teil des Magnetfestivals involviert. Zudem gibt es im  Programm Talkformate („Listening Sessions“, unter anderem mit der künstlerischen Leiterin des Jazzfests Berlin, Nadin Deventer) und – fürs gern abhottende Volk – sogar eine Clubnacht mit ausgesuchten DJs. 

Peter Evans - Photo: Schindelbeck
Peter Evans

Wiesbaden taugt offensichtlich als Magnet für Musikerinnen und Musiker über die Grenzen hinaus, das Festival trägt das „International“ nicht nur zum Schein: reichlich Musikerinnen und Musiker aus Ländern Europas, einige davon mit ihrer Homebase Berlin. Insgesamt sind 18 Acts aus 13 Ländern angekündigt. Die magnetische Kraft reicht auch über den großen Teich: der furiose Bassist Luke Stewart bringt aus der avantgardistischen Szene Washingtons die Power des gesellschaftspolitisch relevanten Jazz mit. Als treibende Kraft des Jazz-Kollektivs “CapitalBop” und auch als Mitarbeiter beim Radiosender „Jazz and Justice“ (WPFW) gehört er zu den herausragenden Vertretern der dortigen Szene.

Luke Stewart - Photo Schindelbeck
Luke Stewart

Außergewöhnliches darf man auch vom Trompeter Peter Evans erwarten – bekannt geworden unter anderem durch seine Mitwirkung in der Band “Mostly Other People Do the Killing” – danach aber als genresprengender und experimentierfreudiger Musiker in verschiedensten Settings unterwegs. Als Solist wird er die Skatehalle in Wiesbaden bespielen. Das passt: ungewöhnlicher Raum und außergewöhnlicher Künstler. Sogar die bemerkenswerte junge Freejazz Saxophonistin Zoh Amba aus New York  wäre fast dabei gewesen – leider hat sich ihr Auftritt zerschlagen, die Europa-Tour wurde abgesagt.

Mette Rasmussen - Photo: Schindelbeck
Mette Rasmussen

Es spricht für die Organisationserfahrung der Festivalleitung, dass mit der Saxophonkollegin Mette Rasmussen sofort eine Künstlerin gewonnen werden konnte, die man so gar nicht mit dem Wort “Ersatz” in Verbindung  bringen kann. Die dänische Musikerin gehört seit Jahren zu den originellsten Saxophonistinnen der freien Improvisationsszene und wird mit ihrem “Trio North” dabei sein.

Wer steckt hinter der Festivalleitung, mit der auf den ersten Blick verrückten Idee, ein neues Format in die Festival-Landschaft zu pflanzen? In diesen Postcorona-Zeiten, in denen zwischen irrwitzig bepreisten Promikonzerten und Nischenveranstaltungen mit treuem Spezialpublikum in der Kultur das Wehklagen und Zähneklappern wegen Publikumsmangels noch längst nicht vorbei ist? 

Es ist ein Vater-Sohn-Gespann, das keineswegs blauäugig an das Projekt herangeht. Raimund Knösche ist als langjähriger Jazzveranstalter und als “Jazzarchitekt” in der Szene bestens bekannt. Er hat reichlich Festivalerfahrung und gemeinsam mit Uwe Oberg über viele Jahre das “Just Music Beyond Jazz Festival” in Wiesbaden erfolgreich geleitet und etabliert. Seinen Sohn Leo Wölfel allein für Themen wie die Club-Nacht verantwortlich zu sehen, wäre zu kurz gesprungen, denn er ist nicht nur mit Just Music aufgewachsen, sondern hat auch beim hauptstädtischen Jazzfest Berlin als Assistent “gelernt”.  Das lustvolle Einreißen von Genregrenzen als Basis für das neue Magnetfestival ist jedenfalls ein gemeinschaftliches Ziel der Beiden. Und das hat bereits funktioniert: das Hessische Jazzpodium 2021 war die gelungene Generalprobe.

Ruth Goller - Photo: Schindelbeck
Ruth Goller

Über das weitere Programm und Wissenswertes gibt die Website des Magnet Festivals Auskunft. Zu Entdecken dort noch deutlich mehr. Beispiele? Y-Otis um den Saxophonisten Otis Sandsjö oder The Great Harry Hillman aus der Schweiz, zudem – ich freue mich besonders darauf – die Band um Ruth Goller namens Skylla, die mit „Postpunk Avantgarde“ nur unzureichend beschrieben werden kann und damit ein typisches Beispiel dafür ist, dass solche Musik live – in Wiesbaden – erlebt werden muss.

| Magnet Festival

Am 17.4. sprechen Raimund Knösche und Leo Wölfel über das Festival bei Jazzology
im Bermudafunk, dem Freien Radio Rhein-Neckar.

Photos: Schindelbeck

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