Konzert des SWR-Jazzpreisträgers Konrad „Conny“ Bauer, Mainz, 7. Juli 2004

Im Scheinwerferlicht steht der Posaunist mit geschlossenen Augen. Ganz Hingabe an die Musik, die er dem Instrument entlockt: Mehrstimmig mit Kontraste bildenden Dynamiksprüngen. Regelmäßige Atemgeräusche machen auf die perfekte Zirkulartechnik aufmerksam, mit der der Künstler endlose Improvisationslinien mit ostinaten Figuren, kreisenden Akkordreihen, blueshaltige Schleiftöne in der Soloimprovisation zusammenfügt. Konrad Bauer, Träger des diesjährigen SWR-Jazzpreises, beweist im unbegleiteten Spiel auf der Posaune ein präzises Timing und eine schier unerschöpfliche Kreativität in harmonischen wie melodischen Variationen.

Assoziationsreich sind seine Klangfarbenspiele in „Hummelsummen“, einer Komposition seiner jüngsten Solo-CD, die wesentlich zur Nominierung für den Jazzpreis beigetragen hat, den das Land Rheinland-Pfalz und der Südwestrundfunk gemeinsam vergeben und der mit 10 000 Euro dotiert ist. Singende, obertonreiche Sounds klingen fast bösartiger als das natürliche Summen von Hummeln. Improvisation ist für „Conny“ spontanes Komponieren während des Spiels, das er in seinem dritten Stück an diesem Abend in Mainzer SWR-Foyer mit eingeworfenen Stöhn-Lauten, Fingerschnalzern und Fuß-Steps unterlegt.

Er habe die Juroren „durch verblüffende Blastechniken, wie mehrstimmige Multiphonics, überzeugt, die Bauer für seine Klangexperimente nutzt, ohne auf narrative Linien zu verzichten“, zitierte der rheinland-pfälzische Kulturminister Jürgen Zöllner bei der Preisübergabe die Begründung der Jury. Solche Suche nach neuen Klängen verraten vor allem zwei Solo-Aufnahmen im Leipziger Völkerschlachtdenkmal und in einem geleerten Trinkwasserspeicher des Wasserwerkes Köln, bei denen der Raumklang und Tonbildung auf der Posaune verschmelzen lässt.

Der 1943 geborene Konrad „Conny“ Bauer zählte  schon vor der Wende in der damaligen DDR zu den bedeutendsten Protagonisten der Free-Jazz-Szene. Eine der Begleiter aus diesen Zeiten hatte Bauer auch beim Mainzer Konzert dabei: den Schlagzeuger und Percussionisten Günter „Baby“ Sommer. Barre Philips, der 1968 unter dem Titel „Unaccompanied Barre“ die erste Platte mit Soloimprovisationen auf dem Bass vorgelegt hatte, vervollständigt das Trio, das dank traumhaft sensibler Interaktionen erst die frei improvisierten Kollektive ermöglicht. Bauer bläst erdig-trocken wirkende Läufe auf der Posaune unter einem mehrstimmigen und wogenden Soundteppich der gestimmten Trommeln und des gestrichenen Kontrabasses oder getragene, hymnische Linien zu den rhythmischen Ostinati auf der Maultrommel und den verzierenden Harmonien auf dem Bass. Ein Posaunensolo wird unterlegt durch percussive Floskeln von Barre Philips, während Sommer die Felle mit dem Handtuch traktiert, zu Strohbesen greift, mit der Mundharmonika eine Volkslied-Melodei einfügt.

„Baby“ Sommer erhält Gelegenheit zu einem Solostück auf dem Marimbaphon, Barre Philips  nimmt in seinem Solo-Stück Anleihen an der kammermusikalischen E-Avantgarde, klopft percussiv mit dem Griff des Bogens auf den Saiten, greift Flageoletts mit pfeifenden Obertönen, zupft Pizzikati, verharrt mit tiefem Ton in der Mehrstimmigkeit, streicht mit dem Bogen mal wuchtig, mal zart.

Das Publikum im überfüllten SWR-Foyer lauscht konzentriert und fasziniert, diesem Konzert, in dem sich vertraute Tradition mit überraschenden Klangvisionen paart.

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