Fotos und Text: Klaus Mümpfer
Karolina Strassmayer hat mit 17 Jahren ihre Liebe zum Jazz entwickelt, als sie Cannonball Adderleys Improvisationen auf „Kind of Blues“ hörte. Wer sie jetzt mit ihrem Quartett „Karo“ auf der kleinen Bühne beim Festival „Bingen swingt“ hört und erlebt, der kann in ihren messerscharfen und brillant phrasierten Bebop-Läufen nachvollziehen, welchen prägenden Eindruck der legendäre Altsaxofonist bei der inzwischen vierzigjährigen Musikerin hinterlassen hat. In schwarzem Leder steht die zierlich wirkende Künstlerin im Lichtkreis des Spots, reckt das Altsaxofon gegen das Dach der Bühne und reiht ekstatische Bebop-Phrasen, so dass der Zuhörer im ersten Anlauf mehr die Technik als die Emotion bewundert. Doch dann löst sich Karolina Strassmayer aus dem engen Korsett der Harmoniegerüste und bewegt sich bei ihren Improvisationen in freiem Spiel. Spätestes dann fasziniert sie mit expressiver Direktheit. Straffe Disziplin und emotionale Wärme verbinden sich in einem eigenständigen Personalstil, der sich an diesem Abend leider hin und wieder hinter technischer Virtuosität zu verstecken scheint.
Dass Karolina Strassmayer „eine Musikantin von ganzem Herzen“ ist, hat nicht nur der legendäre Joe Zawinul bemerkt. „Wir haben Karolina aus einer Reihe hochkarätiger Bewerber ausgesucht, weil sie sich perfekt in den Saxofonsatz integriert auf Grund ihres schönen Tons, ihrer sicherer Phrasierung und ihres hervorragenden Timings einerseits und andererseits durch ihre originelle und vielseitige Soloimprovisation“, begründete die WDR-Bigband 2004 ihre Aufnahme als erstes festes weibliches Orchestermitglied.
Ob nun bei lyrischen Melodien und soulgetränkten Balladen oder bei drängenden Grooves und hitzigen Bebop-Läufen, beim Binger Konzert hat Strassmayer in dem Bassisten John Goldsby, dem Drummer Drori Mondlak und den Vibrafonisten Stefan Bauer einfühlsame und kongeniale Partner. Vor allem Bauers virtuosem, melodischen sowie teils freiem Vier-Klöppel-Spiel auf Vibrafon und Marimbafon ist es zu verdanken, dass der Zuhörer in dem klavierlosen Quartett keine klangfarblichen Lücken zu entdecken vermag. Bauers perkussive Ausflüge bewegen sich zwischen den Haltepunkten Konvention und Avantgarde mit einem Touch World-Music und Folklore. Sie ergänzen und runden die sinnlichen Alto-Erzählungen der Saxofonistin ab. Gestützt werden die Klangfarben-Produzenten von einem solide marschierenden Bass, auf dem John Goldsby aber auch mit harmonischen Finessen und Wendungen zu überraschen weiß.
Vierter in diesem ausgewogenen Ensemble – auch wenn Strassmayer klangfarbenprägend bleibt – ist der Schlagzeuger Drori Mondlak, ein differenzierender sowie federnder Drummer mit starkem Feeling für Melodien. Er hat bereits mit seiner Solo-CD „Point in time“ bewiesen, mit welch gefühlvoller Musikalität und Sensibilität ein Schlagzeuger agieren kann. Zu Recht hat ein Kritiker festgestellt, dass für die vier Künstler Individualität und fließendes Zusammenspiel keine Gegensätze sind. Karolina Strassmayer präsentiert mit „Karo“ eine Musik, die kraftvoll und lyrisch sowie sinnlich und intellektuell zugleich ist.