Die Pianistin Johanna Summer reflektierte bei ihrem solistischen Jazztime-Konzert in Halls Hospitalkirche improvisierend das klassische Erbe Europas
Summer-Time zur Winterszeit: Kurzfristig wurde in der Hospitalkirche ein Solo-Recital von der 1995 im vogtländischen Plauen geborenen Johanna Summerer, die sich als Künstlerin ihren ursprünglichen Nachnamen um die letzten zwei Buchstaben verkürzt hat, angesetzt. Eigentlich hätte an dem fraglichen Termin Mitte Februar der nun erneut verhinderte Gitarrist Christoph Neuhaus spielen sollen. Für ihn sprang nun die 27-Jährige ein – sie vermochte ja schon beim hiesigen Landesjazzfestival im Herbst des Vorjahres als aufmerksame Duo-Partnerin des Saxofonisten Jakob Manz zu überzeugen.
Die Sächsin war als Teenager bei den Wettbewerben von klassischem „Jugend musiziert“ und von swingendem „Jugend jazzt“ gleichermaßen erfolgreich. Als Solistin ließ sie mit den anspruchsvollen Cross-Over-Produktionen „Schumann Kaleidoskop“ und „Resonanzen“ aufhorchen und heimste von arrivierten Instrumentalkollegen und von einem Hamburger Nachrichtenmagazin allerhöchstes Lob ein.
Auf ihrem jüngsten Tonträger, der parallel als CD und Vinyl erschien, machte sich Johanna Summer in neun separierten Tracks der Reihe nach improvisierend über die markanten Personalstile von Johann Sebastian Bach, Franz Schubert, György Ligeti, Federico Mompou, Ludwig van Beethoven, Maurice Ravel, Edvard Grieg, Alexander Skrjabin und Pjotr Iljitsch Tschaikowski her.
Beim vereint vom Jazzclub und Kulturbüro veranstalteten Konzertabend in der Haller Hospitalkirche griff die Pianistin in den beiden Konzerthälften für jeweils eine knappe Stunde sozusagen nonstop in die Tasten – eine Melange „quasi una fantasia“. Und es durfte durchweg gerätselt werden – welchem großen alten Meister huldigt die extemporierende Virtuosin momentan?
Der barocke Bach schimmerte bei Adaptionen von zweistimmigen Inventionen und bei kontrapunktisch verästelter Polyphonie immer wieder durch. Außerdem sequenzierte Halbtonschritte abwärts wie namentlich „B-A-C-H“. Mehrmals zarte Impressionismen, welche mehr an Debussy als an Ravel denken lassen. Und dann ein freitonales „Continuum“ – vom ungarischen Avantgardisten Ligeti etwa? Beim nordischen Grieg schätzt Johanna Summer erklärtermaßen das „sehr Tänzerische“, und mit voller Wucht und reizvollen Motivverarbeitungen scheint Frühromantiker Beethoven aufzutauchen – „appassionata“ (leidenschaftlich) als auch mondscheinhaft.
Das Gesamtprodukt: Ein doch letzten Endes einheitliches Ganzes – trotz Kontrasten mit grölenden Bässen und filigran-lyrischem Diskant. Niemals plumpe Zitate, vielmehr fängt Johanna Summer elegant den individuellen Charakter und Geist von großen Tonschöpfern Europas ein, eingebettet in das obligatorische Jazz-Feeling.
Mit Robert Schumanns „Träumerei“ als einzige gewährte Zugabe entließ Johanna Summerer alias Summer das Publikum auf den Heimweg zum alsbaldigen nächtlichen Schlaf. Wie frohlockte denn im Internet ein begeisterter Fan über ihre vom Label „ACT“ veröffentlichte „Kaleidoskop“-Platte?: „The best thing to happen to Schumann since Clara!“.
Und Johanna Summer, die lieber vor einer Zuhörerschaft „coram publico“ als isoliert im nüchtern-sterilen Tonstudio musiziert, bekennt wagemutig: „Bei einer Improvisation geht es darum, etwas zu entdecken, von dem ich nicht gedacht hätte, dass ich es entdecken kann.“