Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Aziza Mustafa Zadeh ist eine virtuose Technikerin und gleichermaßen musikalische Interpretin. Wenn sie die traditionelle Mugham-Musik ihrer aserbaidschanischen Heimat mit Jazz, Klassik und Folklore mischt, dann scheint ihre Kreativität grenzenlos zu sein. Im Trio mit den beiden sensiblen Mainzer Musikern Ralph Cetto am fünf- und sechssaitigen Bass sowie dem Schlagzeuger und Percussionisten Simon Zimbardo hat sich der Schwerpunkt der Symbiose in Richtung jazziger Interpretation verschoben. Zugleich prägt das Modalsystem des Mugham, das auch Intervalle, Melodieführung und Rhythmus bestimmt, noch immer den Kompositionsstil und die Spielweise der 44-jährigen Wahl-Mainzerin.
Das Trio-Konzert im Frankfurter Hof beginnt Zadeh mit einer neuen Komposition „Pray“, in deren lyrischer und hymnischer Stimmung hörbar Klassikelemente einfließen und die mit verwehenden Akkorden endet. An anderer Stelle assoziieren rollende Bässe und nahezu sakrale Sounds den Südafrikaner Abdullah Ibrahim, während in retardierenden Akkordreihen und verqueren Läufen der amerikanische Pianist Thelonious Monk hörbar wird. Brubeck steht neben Bach. Dies alles hat die Pianistin mit der klassischen Ausbildung souverän in ihre eigenständige Spielweise integriert, wobei sie von dem stets im Hintergrund solide stützenden Bassisten und dem flexiblen Schlagzeuger im Swing bestärkt wird.
Mit ihrer in diesem Fall samtweichen und sinnlichen Stimme adelt Zadeh selbst Schnulzen wie „Besame Mucho“, in dessen Verlauf sie mit Vibrato ihren erstaunlichen Stimmumfang auskostet. Wenig später setzt sie in Tarkans populärem türkischen Song „Uzur Ince Bir Yoldayim“ auf die orientalische Melismatik und Skalen, lässt Cetto Zeit für einen harmonisch reizvollen Solo-Ausflug auf dem Bass.
Die zierliche Pianistin wirkt zerbrechlich, wenn sie in ihrem langen, rotgeblümten Kleid mit zarter Stimme die Stücke anmoderiert. Doch wenn sie in Up-Tempo-Kompositionen wie „Summer Holidays“ oder der dynamisch zweigeteilten „September Ballade“ in die Tasten greift, scheint sie förmlich zu explodieren. Dann hämmert „Jazziza“ mit kraftvollem Anschlag ihre Akkordblöcke in die Tasten, lässt Single-Note-Kaskaden aus dem Bechstein perlen. Mit ihren beiden Partnern entstehen immer wieder parallel geführten Linien, die dann doch wieder zusammenführen. Nahtlos sind die Wechsel in Metren und Tempi, spannungssteigernd Drive und Intensität. Voll zurückgehaltener Energie bleibt Zadeh selbst in den lyrisch verspielten und beseelten Solo-Interpretation wie dem kurzen „The way to the palace“ vor dem ergriffenen Publikum an diesem Abend im ausverkauften Frankfurter Hof.
Eine völlig andere Aziza Mustafa Zadeh erleben die Zuhörer, wenn die Künstlerin mit „Shamans“ auf die aserbaidschanische Tradition zurückgreift. Zunächst noch vom Flügel geführt, greift die Pianistin und Sängerin zur kleinen Handtrommel und singt in dramatisierenden Koloraturen, von elektronischem Hall und Echo gedoppelt, von den Schamanen ihrer Heimat. Das Publikum ist fasziniert. Es feiert Zadeh und ihre Partner stehend mit rauschemden Beifall und erzwingt mehrere Zugaben.