Jasper van´t Hof solo in der Jazzfabrik Rüsselsheim, 9. März 2004

Ein Axiom ist in der Logik und der Mathematik ein Grundsatz, der unmittelbar einleuchtet und seinerseits nicht zu begründen ist. „Das Ganze ist mehr als die Addition seiner Teile“ gilt als ein solches Axiom – und wäre auch auf das Solokonzert des holländischen Pianisten Jasper van´t Hof anzuwenden. „Axioma“ nennt der genialische Tastenkobold denn auch seine aneinander gereihten Piano-Solos auf der neuen CD und beim Konzert der Rüsselsheimer Jazzfabrik in den Opel-Villen.

Da sitzt der Jazz-Weltbürger nun im Intimität verströmenden Ambiente des Jugendstilraumes, das von der rotblonden Mähne fast verdeckte Gesicht tief über die Tasten gebeugt, mit kraftvollem Anschlag Akkorde zu Klanggebirgen auftürmend. Dann wieder reckt er den Kopf in die Höhe, verschließt verzückt die Augen und öffnet lachend den Mund.

Seine Vorliebe für ostinate Bass-Figuren und Hochgeschwindigkeitsläufen in den hohen Lagen zieht sich wie ein roter Faden durch die Eigenkompositionen und wird erst in der Zugabe durch eine Horace-Silver-Komposition aufgehoben. Jasper van´t Hof baut mit seinen Harmonievariationen weit schwingende Spannungsbögen, die sich durch Temposteigerungen und Dynamiksteigerungen verdichten.

Sein Axiom ist die Improvisation im Jazz. Sie ist naturgegeben und wird von ihm nicht hinterfragt. Die Themen existieren nur in wenigen Harmonievorgaben und graphischen Abläufen und der Fortgang des spontanen Komponierens wird durch die Stimme erleichtert. So singt van´t Hof den Anschlägen vorauseilend, stampft zu den schnellen rollenden Bässen mit dem Fuß auf den Boden.

Der Pianist profitiert an solchen Klavierabenden von seinen profunden Kenntnissen der klassischen Musik vom Barock bis zur Romantik und von der Liebe zur Folklore (der afrikanischen im Besonderen), die er mit der Improvisationstechnik des Jazz verbindet. Da tauchen rhapsodische Läufe auf, klingt beschwörende Hymnik an, wird aus dem Humor Saties geschöpft und die widerspenstige Gegenläufigkeit eines Monk gestreift. Immer wieder bricht der Pianist aus dem ansonsten durchlaufenden Metrum aus – auch wenn es als Walzerfigur eine Komposition prägt.

Es ist eine wilde und zugleich zärtliche Hingabe, mit der der Holländer die Stücke interpretiert. Assoziationsreich sind die Stimmungen, die mal an die stupende Rhythmik von Maschinen erinnern, um dann plötzlich in tänzerische Beschwingtheit umzuschwenken.

Präsentiert wird dies alles mit einer faszinierenden Technik, in der sich oftmals die rechte Hand im Grundrhythmus von der linken zu eigenständigem Spiel löst. Und dennoch mag der Zuhörer hin und wieder bedauern, dass bei aller subtiler Nuancierung der Anschlag in leisen und verspielten Single-Note-Ketten zu hart ausfällt.

Das Publikum indessen feierte den Solisten nach fast 90 Minuten so begeistert, dass Jasper van´t Hof nicht um eine zweite Zugabe herumkam.

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