Pianist Aaron Parks eröffnet „Astrolab“, die Komposition des Bassisten Matt Penman mit einigen verspielten Lyrismen, die Joshua Redmann auf dem Tenorsaxophon mit singenden Linien aufgreift. In die melodischen Parts bettet Redman einen reinen Bebop-Lauf, interagiert mit dem Pianisten sensibel sowie mit schier grenzenloser Fantasie für Klangfarben. Penman setzt mit straight gezupftem Bass die rhythmische Basis und wird dabei von Eric Harland am Schlagzeug mit unfehlbar sicherem Timing unterstützt. Aaron Parks baut mit Notenketten und Akkordgriffen spannende Stimmungsbilder auf, die bei manchen ausschweifenden Improvisationen unausweichlich an Keith Jarrett erinnern, aber dennoch Eigenständigkeit verraten. Gemeinsam mit Redman prägt er den Sound der Formation. Ein Romantiker an den Tasten trifft auf einen Melodiker an den Saxophonen. Beide bilden ein traumhaftes Duo, das in der Abrundung durch Bass und Schlagzeug zu einem Quartett aus einem Guss mit innerer logischer Geschlossenheit wächst. Das bedeutet Präzision und komplexe Dichte in der Zusammenarbeit.
Aaron Parks und Joshua Redman
„Karma“ ist an diesem Abend eine der Kompositionen des Pianisten Parks. Karma steht im Glauben für ein spirituelles Konzept, nach dem jede Handlung unweigerlich eine Folge hat. Besser lassen sich Kommunikation und Interaktionen des Quartetts kaum beschreiben. So folgt Redman an der Seite der Bühne, aufmerksam lauschend und voll konzentriert den Soli des Pianisten, um die Themenvariationen in seinen geschmeidigen Läufen aufzugreifen und fortzuführen. Harmonische Eleganz prägt selbst sein expressives Stakkatospiel. Jeder Ton hat dabei seinen Platz, nichts ist auf Effekthascherei ausgerichtet. Eine der Kompositionen leitet Redmann mit rundem und sonorem Ton auf dem Tenorsaxophon ganz in der Tradition eines Ben Webster ein, bevor er mit hellem und tragendem Ton zum Sopransaxophon wechselt, um das Thema für den Bassisten freizugeben, der es mit einem schnellen, melodischen Lauf variiert.
Redmann greift schließlich mit einem rasanten Tenorsaxophon-Solo ein, steigert sich in einem kraftvollen Stakkato und reißt den Bassisten sowie den Drummer im groovenden Spiel mit. Parks unterstreicht diesen Ausbruch mit wuchtigen Akkordschichtungen. Mit einer Vorliebe für sanft verklingende Finale, schließt Joshua Redman auch schnelle und treibende Stücke mit einem tragenden Akkord, einem Triller auf dem Piano oder akzentuiertem Schlag auf den Trommeln ab. In Redmans „Star Crossed“ kann Schlagzeuger Harland bei einem ausgiebigen Solo sein rhythmisch vielschichtiges, komplexes und präzises Spiel demonstrieren und auch Penman hat an diesem Abend mehrfach die Gelegenheit für Läufe mit harmonisch reizvollen Wendungen und variablen Akkordfolgen.
Das Publikum der Rüsselsheimer „Jazzfabrik“ genießt dieses einzige Deutschland-Konzert von Joshua Redmans neuem Quartett „James Farm“ entspannt und erzwingt mit anhaltendem Applaus zwei Zugaben. „Milestones“, die erste modale Komposition des Trompeten-Giganten Miles Davis, ist eine davon, die anderen Stücke des Abends stammen ausschließlich aus der Feder der Bandmitglieder. Es sei die erste Tour der beim Montreal-Festival 2009 geformten Band, sagt Redman . Mit diesem Quartett habe er neue Ideen verwirklichen können. Mit seinen gerade mal 41 Jahren ist der ehemals „junge Wilde“ Joshua Redman keineswegs alt, aber der Senior der Formation, in der Matt Penman Jahrgang 1974 und Eric Harland 1974 sowie Aaron Parks erst 26 Jahre zählt.