Ein Gongschlag. Pause. Weitere Schläge auf unterschiedliche Metallbecken. Pause. Dann ein anschwellender Sound aus dem Minicomputer. Die Gongschläge in Loops. Wiederholungen der gerade in Echtzeit entstandenen Klänge in elektronischen Schleifen. Ingaz Schick greift zu einem kleinen Cymbal und lässt es am Tellerrand eines Plattenspielers vor einem Bläsermikrophon vibrieren. Über den so entstehenden beständigen Grundton legt er die gerade produzierten Loops. Eine Collage ohne feste Strukturen zieht ihre Spannung aus Dynamiksprüngen und Tönen, die sich reiben. Minimalismen in reduzierter Spielweise kreiert der 39-jährige Klangkünstler in seinem Konzept, das der in Anlehnung an das Plattenspieler-Elektronik-Setup „Rotating Surfaces“ nennt. Klangflächen und Geräuschcollagen verbinden sich schließlich zu Fast-Melodien, wenn Ignaz Schick den Geigenbogen über dem Plattentellerrand zum Schwingen bringt und die Töne mit den Fingergriffen in den Haar-Bezug des Bogens in den Höhen variiert oder gar ein Vibrato am Bogenende klopft.
Freie Improvisationen entstehen im Schöpfungsprozess als Echtzeitmusik. Spontane Kompositionen, die Schick nur in Teilen durch grafische Notierungen strukturiert, bergen faszinierende Überraschungen. Es sei der Versuch, eine musikalische Sprache zu finden, in der die Struktur im Vordergrund steht, formuliert der Künstler widersprüchlich, der in den einschlägigen Nachschlagewerken als „Turntablist“ geführt wird. Plattenspieler sind also seine Instrumente. Sein Werktitel „rotating surfaces & other little obstacles für turntable“ weist auf die „kleinen Hindernisse“ hin, mit denen er Tonabnehmer und Elektronik ausreizt. Mit Metallplättchen zwischen Plattenteller und Auflagematte, Kunststoffscheiben, Bogenstrichen und Stäbchen auf dem perforierten Tellerrand formt der Künstler Klangcollagen, die zuweilen an fernöstliche Skalen erinnern. Er lotet aus, wie sich unterschiedliche Objekte von Cymbals bis zu getrockneten Distelfrüchten je nach Neigungswinkel und Druck klanglich auf der porösen Unterseite einer Plattentellerauflage entwickeln.
Dass er vor Jahren damit begonnen hatte, Geräuschmaterial zu scratchen und auf Plattentellern, die er mit der Hand beschleunigt oder abrupt stoppt, zu Collagen montiert, daran erinnert in diesem Konzert der Rüsselsheimer „Stiftung Opelvillen“ ein Set, in dem Schick alte Schellackplatten mit Geräuschproduktionen für Spielfilme auf zwei Plattenspielern rotieren lässt. Rauschen, Plätschern, Knistern, Schüsse werden von Wortfetzen und Kindergeschrei unterbrochen.
Als spannenderer Teil des Konzertes bleiben jedoch die Soundkreationen mit den vielfältigen Reibungsmaterialien auf und am Plattenteller und deren elektronische Aufbereitung im Gedächtnis haften. Hier liegt offensichtlich noch ein großes Potential, Klänge ins Extrem zu führen.