„FUN-jazzquartett“ bei der Jazz-Initiative Mainz, 21. Januar 2006

Erinnern wir uns an das Jahr 1974. Damals traf Emil Mangelsdorff, der in diesen Tagen mit der Frankfurter Goethe-Medaille ausgezeichnet wurde, mit dem Trio „interaction“ zusammen. Jo Flinner saß damals am Piano und war anschließend bis 1992 Mitglied des Emil Mangelsdorff Quartetts. Auch an diesem Abend beim Konzert des FUN-Jazzquartetts ist die eine oder andere Komposition zu hören, die Flinner für jenes Ensemble schrieb. Das schnelle „The Fun Bop“ mit dem Scat-Gesang von Jill Gaylord bleibt dabei unberührt vom Zahn der Zeit.

Singende und melodische Linien wie Altmeister Mangelsdorff sie neben expressiven Bebop-Läufen liebt, sind auch eine Stärke von Paolo Fornara. In seiner Komposition „Nordfjell“ beschwört er jene transparente skandinavische Stimmungen, die die Sängerin Jill Gaylord mit einer eigenartig reizvollen Mixtur aus kühlem Jazz und Latin-Touch untermalt. Dazu liefern Flinner ein perlendes Piano und Günter Gessinger das passende Trommelspiel. Der Stimmungs-Gegenpol ist „Hot Desert“ mit weit schwingenden Bögen auf dem Altsaxophon, einem vitalen Piano-Ausflug, einem harmonisch abwechslungsreichen Bass-Solo sowie einem trocken-erdigen Duo von Bass und Schlagzeug. Dieses Stück mit der warmen Bass-Intro und dem Saxophon, das in arabischen Klangfarben schwelgt, kann ebenso süchtig machen wie das ausgefallene „Nordfjell“.

„Moods“ ist ein treffender Titel für die CD, die das Quartett und die Sängerin im Konzert bei der Jazz-Initiative Mainz vorstellen. Was schon auf der Silberscheibe die Zuhörer gefangen nimmt, wirkt Live noch packender und ein bisschen weniger geschmeidig. Dies gilt für Balladen im Stil von Flinners „Ulla“ mit dem lyrischen Single-Note-Spiel auf dem Piano zu dem harmonisch variablen Bass-Solo von Markus Hoffmann ebenso wie für die Up-Tempo-Interpretation der Miles Davis-Komposition „Tune Up“ – oder die interessante Bearbeitung seines „All Blues“. Ganz besonders aber für den „Seven Day Blues“, in dem die ausgebildete Opernsängerin Gaylord mit aggressiver Rauigkeit die Blues-Stimmung herausarbeitet. Leider hatte die Stimme während der Konzertes zeitweilig zu viel Hall, waren Saxophon und Flöte Fornaras zu leise, was wieder zu Gunsten der CD spricht.

Die Musik bewegt sich im Hauptstrom des Jazz und belegt, dass Evolution nicht minder attraktiv sein kann wie Revolution. Fun beweist Mut zur Schönheit, will weniger auf- als an-regen. Das impressionistisch wirkende Saxophon, die raffinierten Bass-Linie, das flexible Schlagzeug und die mal verspielten, dann wieder attackierenden Piano-Läufe sind adäquate Begleitung für die modulationsreiche und ausdrucksstarke Stimme. Die Zuhörer im überfüllten M8 des Mainzer Hauses der Jugend haben keine neuen Klänge im Jazz erwartet, sondern solide Feinschmeckerkost – und wurden nicht enttäuscht.

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