Florian Posers „ Brazilian Experience“ in Rüsselsheim, 1. Oktober 2006

„New Adventures“, ein schnelles Latin-Thema und das Titelstück einer CD von Florian Posers „Brazilian Experience“ ist nach wie vor ein musikalisches Abenteuer, wenn auch nicht neu. Die Liebe des deutschen Vibraphonisten für die südamerikanische Musik in der Verbindung mit dem pulsierenden Neo-Bop der New Yorker Szene ist mit Unterbrechungen ein Dauerläufer: Schon in den 90er Jahren war Poser mit einer gleichnamigen, hochkarätigen Truppe unterwegs –damals wie heute mit mitreißendem Groove, der die Mixtur aus percussivem und melodiösem Latin-Bop unterstreicht.

Elegante und zugleich kraftvolle Kompositionen – zumeist aus der Feder des Bandleaders – bietet das Quintett in der Rüsselsheimer Jazz-Kneipe „Das Rind“. Ein geschmeidiger Brazil-Jazz von atmosphärischer Dichte. Geschickt wechselt Poser zwischen ruhigen Balladen und treibenden Up-Tempo-Stücken. Lyrisch verspielt tupft er mit seinen Klöppeln in „Calm Down“ die Metallplättchen seines Vibraphons in fließenden Linien, lässt die Klänge durch die Dunkelheit des Raumes schweben, während Pianist Klaus Müller ein paar verstreute Akkorde einwirft, die sich zu einer Melodie entwickeln. 

Bassist Itaiguara und Schlagzeuger Portinho steigen sensibel ein, bevor der Argentinier Gustavo Bergalli zum Flügelhorn greift und mit weichen, warmen und dunkel timbrierten Tönen ein ergreifendes Solo spielt. Perlend fließen die Notenketten aus dem Piano, Portinho bricht mit eingeschobenen gegenläufigen Breaks auf den Trommeln den Melodiefluss auf, bevor das Quintett schließlich die Ballade im sanften Kollektiv ausklingen lässt. 

Den anderen Pol von Posers Kompositionen setzen Stücke wie „Questions & Answers“, in dem kraftvoll und groovend die Musiker Gelegenheit bekommen, sich in Soli zu verausgaben. Rasendes Vier-Klöppel-Spiel auf dem Vibraphon, die Trompete steigt in kraftstrotzenden Stakkato-Läufen in die High-Note-Lagen, attackierendes Akkord-Spiel auf dem Piano leitet in ein vielschichtiges und polyrhythmisches Schlagzeugsolo über.

Wiederholt wird diese Dramaturgie in den beiden letzten Stücken dieses Konzertes: Portinho eröffnet mit einem nahezu explosiven Schlagzeugspiel das Up-Tempo-Stück „Rio“ mit Dynamiksprüngen und Intensitätssteigerungen, während „Epilogue“ in der Zugabe verspielt, lyrisch und zart den Abend ausklingen lässt. Die gleiche Stimmung beherrscht das betont langsame „Sleeping Blossom“ ohne den Trompeter Bargelli, der dafür in dem Tango „Alone“ mit lang gezogenen, fast vibratolosen Linien auf den Trompete die geschmeidige Schönheit des südamerikanischen Tanzes unterstreicht. 

Allzugroßer Sahnigkeit begegnet er mit leicht überblasenen und gepressten Tönen in den höchsten Lagen, verhaltenem Growling und der Fähigkeit, manchmal bewusst über das Metrum der Gruppe hinwegzublasen. Müller lässt hin und wieder auf den Keyboards orgelähnliche Sounds mit hart angeschlagenen Single-Notes kontrastieren und Itaiguara vermag auf seinem Bass flinkfingrig gitarrengleiche Läufe zu zupfen. Zwischendurch reizen Unisono-Passagen von Trompete und Vibraphon das Ohr der Zuhörer, die Florian Posers „Brazilain Experience“ mit reichem Beifall bedenken.

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