Die Anfahrt war wie früher: durchs Neckartal, in Hirschhorn links ab und noch ein paar Kilometer in den Odenwald. Am Finkenbach-Wochenende wirkt das kleine Dorf, als müsse es den Verkehr eines ganzen Jahres schultern. Mit im Auto ein Begleiter, der den „Elektrolurch“ – Mani Neumeiers „Volt, Watt, Ampere, Ohm – ohne mich gibt’s keinen Strom“ aus dem Effeff zitieren kann, den Meister selbst aber noch nie live erlebt hatte.
Dass der Besuch gut war, zeigte sich schon an der kilometerlangen Schlange geparkter Autos entlang der Zufahrt. Der Zeltplatz neben dem Festivalgelände und das Finkenbacher Schwimmbad – beide gut gefüllt.
Das Wetter: tadellos.
Die Handschrift des Festivals hat sich verändert: Der Technikplatz ist doppelt so groß geworden, die ikonischen Pilze links und rechts der Bühne sind den Fahnen des veranstaltenden Fußballvereins gewichen. Gelegentlich wurden wackenartige Flammensäulen in den Himmel gestemmt. Doch die örtlichen Kuchenbäckerinnen sind immer noch da, ebenso der bunte Mix aus alternativen Nippes-Ständen und gebrauchten Schallplatten. Und neu: Zwei charmante Stelzenläuferinnen und schillernde Riesenseifenblasen von Art Artistica machten das Gelände noch bunter und sorgten für zusätzliche Festivalstimmung.
Vom Vortag durfte ich mir erzählen lassen, wie schön es schon gewesen sei; mein Einstieg am Samstagnachmittag mit KANT aus Aschaffenburg: „Heavy Psychedelic Rock“ – mit einer deutlichen Schlagseite Richtung „heavy“. Am Nachmittag muss man es erst einmal schaffen, die Menschen aus Schwimmbad und Campingplatz herüberzulocken. KANT gelang das mühelos, und sie pusteten die Gehörgänge gründlich durch. Entspannter, aber mit kräftigen Partyvibes, ging es weiter mit Dr. Woggle & the Radio aus Weinheim. Ska und Reggae, ein satter Bläsersatz und Sänger Nikolaus Knapp – die Band weiß, wie man das Finkenbacher Publikum zum Tanzen bringt.

Am frühen Abend dann der Auftritt, auf den alle gewartet hatten: Guru Guru. Nach einem Knatsch zwischen Mani Neumeier und den Veranstaltern (inzwischen beigelegt) und Finkenbach-Abstinenz seit 2019 standen sie endlich wieder auf der Bühne: Mani Neumeier, fast 85, am Schlagzeug, Roland Schaeffer (Saxophon, Gitarre), Peter Kühmstedt (Bass) und Zeus B. Held (Keyboards). Ohne Neumeier gäbe es das Festival nicht – er gründete es in den 1970er-Jahren, über Jahrzehnte prägte er Programm und Optik.
Das Set war historisch gefärbt und zündete von Beginn. Vom neuen Album The Incredible Universe of Guru Guru gab es den jazzorientierten Titel Free Krautrock!, ansonsten zahlreiche Klassiker, die zur DNA des Festivals gehören: „Living in the Woods“, der „Elektrolurch“. Peter Kühmstedt glänzte als „Rock’n’Roll Machine“, es gab den „Iddli Killer“ – und das Publikum auf dem dicht gedrängten Sportplatz feierte begeistert. Einziger Wermutstropfen: Roland Schaeffer hatte seine Nadaswaram, von Kühmstedt gern „indische Tröte“ genannt, nicht dabei. Doch als Saxophonist ist er ohnehin eine Klasse für sich.
Nach dem Konzert war schön zu sehen, wie viele alte Fans wieder mit Mani Neumeier und den Musikern ins Gespräch kamen. Auch backstage war die Stimmung bestens, und natürlich saßen Neumeier und Hellmut Hattler zusammen – kein Wunder bei einer jahrzehntelangen Freundschaft zwischen den Musikern von Guru Guru und Kraan.
Ein Höhepunkt des Festivals danach das Konzert von Kraan. Das Trio – ergänzt durch Keyboarder Martin Kasper – ist legendär: Hellmut Hattler am E-Bass, Peter Wollbrandt an der Gitarre und Jan Fride am Schlagzeug spielen seit Schulzeiten zusammen und diese enge Verbindung ist in Ihrer Musik ständig präsent. Hellmut Hattlers Basslinien sind fließende Ströme, die das Fundament legen und oft eigene Melodien erzählen. Sein Groove ist erdig und elastisch, mal treibend, mal schwebend – und macht den Bass zum eigentlichen Erzähler der Musik. Jan Fride ist das rhythmische Rückgrat– sein Schlagzeugspiel verbindet Präzision mit feiner Dynamik und schafft Raum für die mäandernden Linien von Bass und Gitarre. Sein Bruder Peter Wollbrandt an der Gitarre balanciert zwischen klarer Rock-Kante und jazziger Offenheit. Sein Spiel ist oft lyrisch – ein erkennbares Markenzeichen der Band. Für die jazzaffinen Menschen im Publikum: ein Fest.
Wer danach musikalische Erdung brauchte, fand sie bei Colour Haze. Hypnotischer Psychedelic-Stoner-Rock, getragen von Stefan Kogleks Gitarre und Gesang, Mario Oberpuchers Bass, Jan Faszbenders Keyboards und dem druckvollen und erstaunlich variablen Schlagzeug von Manfred „Mani“ Merwald. Die Münchner zählen seit den 1990er-Jahren zu den festen Größen der Szene – passender konnte Musik für den späten Samstagabend kaum sein.
Zum Abschluss trat traditionell Alex Auer y Banda auf. Wie in den Vorjahren setzten Gitarrist und Sänger Alex Auer und Gitarrist Adax Dörsam weit nach Mitternacht den Schlusspunkt mit melodischem Rock, der das Publikum sanft aus einem langen Festivaltag in den frühen Finkenbacher Morgen entließ.
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