Fotos und Text: Klaus Mümpfer
Erst spät ist die Flöte im Jazz heimisch geworden. Die Elektronik hat ihr den Weg in einer Musik bereitet, in der sich die dynamisch stark limitierte Ausdrucksmöglichkeit des Blasinstruments gegen die durch das Schlagzeug bestimmte Grundlautstärke durchsetzen konnte. Im Preisträgerkonzert der Landesarbeitsgemeinschaft Jazz (LAG Jazz) imFrankfurter Hof in Main lotet Stephanie Wagner demonstrativ in der Intro einer Komposition das Klangfarbenspektrum auf der C-Flöte aus: Mit eruptiver Überblastechnik, Flatter- und Tripelzunge, Mehrstimmigkeit durch gleichzeitigen Gesang, das Einbeziehen von Klappen- und Atemgeräuschen sowie durch Hall und Echo.
In „Change“ weckt eine Passage gar Assoziationen an Ian Anderson. In ihrem Quintett „Quinsch“ setzte die Flötistin solche Techniken allerdings sparsam ein, bleibt insgesamt einem swingenden Bebop mit Latin-Einflüssen verhaftet, pflegt auf der Altflöte sonore Melodielinien, wobei sie von einer exzellenten Rhythmusgruppe mit dem Pianisten Steffen Stütz, dem Bassisten Udo Brenner und dem Schlagzeuger Jens Biehl unterstützt wird. Der besondere Sound des Quintetts wird jedoch durch Wagners teilweise dem Wohlklang verpflichteten Unisono-Spiel mit dem Tenorsaxophonisten und Klarinettisten Steffen Weber bestimmt.
Steffen Webers oftmals expressives Spiel mit dem Trompeter Heiko Hubmann kennzeichnet auch den Sound des Andreas Hertel Quintetts, der zweiten Gruppe aus den drei Siegern des Landeswettbewerbs der LAG Jazz. In unisono und mehrstimmigen Duos kommen sie der Vorliebe des Bandleaders, Komponisten und Pianisten Hertel zu raffinierten Klangfarbenspielen entgegen. Hubmann steigt mit der Trompete in expressiven Stakkati bis in die High-Note-Lagen, lässt sich mit der gestopften Trompete in der Balladen „Wish I can tell“ von Weber auch mal sanft auf dem Tenorsaxophon begleiten. Seinen Reiz bezieht das Quintett auch aus dem Kontrast von den Eher der Lyrik zugeneigten Piano und Bass sowie den expressiveren Saxophon und Trompete. Beide Pole verbindet Hertel in klug aufgebauten und strukturierten Kompositionen. Axel Pape trommelt am Schlagzeug einfühlsam. Mit welch harmonischer Raffinesse Florian Werther den Bass zupft, wird erst in den Soli wie in „Snow Day“ deutlich – eine Kompositionen in der sich Hertel selbst als ein wahrer Geschichtenerzähler auf den Tasten outet.
Dritter im Bund der Preisträger unter ehedem 38 Bewerbern ist die Bach-Band aus Trier, die ebenfalls aus dem großen Strom des Bebop schöpft, aber ihre Sounds mit folkloristischen Elementen aus Nordafrika und dem Balkan anreichert. Pianist Ralf Bach hat eine Vorliebe für ostinate Akkorde, die er wie in „Maghreb“ zu beschwörend hymnischen Passagen ausweitet. Seine fließenden Melodieläufe auf dem Flügel werden hin und wieder durch sperrige Cluster aufgebrochen, dennoch wirkt er eher verspielt. Ungerade Takte sorgen für tänzerische Beschwingtheit der Kompositionen, deren Klangfarben durch das Zusammenspiel von Flügelhorn (Helmut Becker) und Altsaxophon (Stefan Reinholz) geprägt werden. Becker bläst das Flügelhorn warm und sonor, kann aber in Up-Tempo-Stücke auch kraftvoll attackieren. Reinholz bevorzugt auf den Altsaxophon „singende“ Läufe, findet sich mit Becker immer wieder in Unisono-Duos. Eher unauffällig lässt Stefan Zawar-Schlegel den Bass „marschieren“ und Oliver Rohles am Schlagzeug stützt solide.
Ostinate Figuren auf dem Piano, Romantizismen und Näherungen an die neue E-Musik pflegt der Pianist Jean-Christophe Cholet mit seinem Trio aus der rheinland-pfälzischen Partnerregion Burgund. Vor allem Bassist Heiri Känzig nimmt in seinen gestrichenen Soli Anregungen aus der Avantgarde auf. Der faszinierende Sound des Trios mit dem flexibel reagierenden Schlagzeuger Marcel Papaux ist filigran und zugleich komplex, vielschichtig und dennoch transparent. Die Stücke scheinen großteils notiert zu sein, lassen aber ausreichend Raum für Überraschungen. So entstehen Klangbilder mit teils pastösen, teils kräftigen Farben. „Chemins des sons“ hat Cholet eines seiner größeren Werke für Sinfonieorchester betitelt. Diese Charakteristik trifft auch auf sein Trio zu, das als Gast das Landesjazzfestival abrundete.