Fotos und Text: Klaus Mümpfer
Die Improvisationen auf den Konzertgitarren zum Beginn des jeweiligen Sets muten wie Kompositionen aus der abendländischen Klassik mit einem Touch Jazz an. Lediglich einige Harmonien fügen Stimmungen orientalischer Skalen ein. Doch wenn anschließend Erkan Ogur und Mikail Aslan zur Tempur und Saz ihre Lieder anstimmen, dann verbinden sich der Kulturkreis des Türken Ogur, der an der Universität Istanbul klassische Musik seiner Heimat studierte und Aslans traditionelle Musik aus Anatolien auf reizvolle Weise. Ogur singt mit seiner gepressten Kopfstimme und den großen Intervallsprüngen ein Lied von der Sehnsucht aus der Ferne nach der Mutter und der Geliebten, Der Kurde Aslan kontrastriert ihn mit sonorer Begleitung. Getragen und melancholisch stimmt Aslan in seiner Heimatsprache Zazaki ein Liebeslied an, das von der Sprachlosigkeit erzählt, Gefühle der Geliebten zu offenbaren. Zum Schuss des offiziellen Teils des Konzertes lächelt Aslan verschmitzt, als er in „Elgajiye“ die Liebesgeschichte von einem Jungen und seinem Dorf erzählt.
„Cesm-i Dil“, das „innere Auge“ nennen die beiden Musiker, die beim Konzert im Frankfurter Hof von Cemil Qocgiri auf der Langhalslaute Tembur begleitet werden, ihr Projekt, das die verbindende Kraft der Musik über ethnische Grenzen sowie die Gemeinschaft des Herzens offenbaren soll. Es sei dieses „innere Auge“ der Gemeinschaft, das die Musiker auch dazu bewegte, einen Teil des Konzerterlöses den Erdbebenopfern in der türkisch-kurdischen Provinz um Van und Ercis zu spenden, sagt Mikail Aslan.
Traditionell gibt es drei Arten kurdischer Musiker: Geschichtenerzähler, Sänger und Barden. Aslan verbindet alle drei in einer Person bei Stücken wie „Zerre mi“ oder „Ninnaye“. Er spielt die Saz, eine Langhalslaute mit drei Saiten und dem großen Korpus, die in der Stimmung gut zu den Liedern jener Barden passt, die in Anatolien auch „Asik“ oder Liebende, genannt werden. Ogur und Qocgiri zupfen und reißen die Tembur, eine Langhalslaute mit kleinem Korpus, die je nach Spielart metallisch und gleißend oder lyrisch sanft klingen kann.
Es sei ihm eine große Ehre und Freude mit Erkan Ogur spielen zu dürfen, sagt Mikail Aslan zum Beginn des Konzertes, das neben deutschen Freunden nahöstlicher Musik vor allem Kurden und Türken gleichermaßen in den gut gefüllten Frankfurter Hof lockte. Ogur ist ein Meister auf Tembur und Gitarre. Faszinierend sind Klangfülle und Affekte, die er im Rahmen der Makam-Tonleiter auf den wenigen Saiten zupft und schlägt. Sein Spiel ist stets filigran und transparent. Wenn Ogul dann zur Gitarre greift, während Aslan die Saz und Qocgiri die Tembur zupft, dann wechseln Melodieführung und verzierende Begleitung nahtlos.
Die türkischen Lieder scheinen dem Zuhörer kunstvoller als die strophigen Gegenstücke der Kurden mit den zumeist einfachen Melodien. Und dennoch scheint es musikalische Archetypen zu geben, die in allen Kulturkreisen des nahen Ostens in Melodie- und Harmoniebildung einfließen. So wecken manche Kompositionen Assoziationen an die Musik des libanesischen Oud-Spieler Rabih Abou-Khalil. Musik hält sich nicht an Grenzen.