STUTTGART. 1967 sorgte das Quartett des Vibrafonisten Gary Burton für die Sensation der Berliner Jazztage. Die Flower-Power-Typen mit den „mädchenhaften Frisuren“ (Jazz Podium) überraschten mit einer Innovation, dem Rock Jazz. Nunmehr agiert der mittlerweile 60jährige Burton musikstilistisch universell, wie auch sein Auftritt innerhalb der Jazznights-Tour in Stuttgart bewies. Im Mozartsaal der Liederhalle konzertierte der Amerikaner mit dem japanischen Pianisten Makoto Ozone – seit zwei Jahrzehnten besteht dieses enge Bündnis. Am Berklee-College von Boston lernten sich die beiden kennen, und nun bescherte Gary Burton regelrecht eine Lehrstunde über Jazz und mehr.
Zunächst erwies der Vibrafonist seine Reverenz an verstorbene Größen dieses melodischen Schlaginstruments und tat total traditionell einen liebevollen Blick zurück in die Jazzgeschichte: „Hole In The Wall“ für Red Novo, „Opus ½“ für Lionel Hampton und ein adäquat bluesiges „Bag’s Groove“ für Milt Jackson. Nicht minder beschwingt und beswingt gerieten zwei Tanz-Nummern, nämlich ein Calypso und zwei Tangos – darunter „Milango“ des Brasilianers Jorge Cardoso.
Es muss ja nicht immer „Play Bach“ sein: Gary Burton und Makoto Ozone bereiteten als wahre „Virtuosi“ (so der Titel der bei Concord Records erschienenen CD) „klassische“ Werke auf, wobei die Übergänge zur jazzender Improvisation fließend verlaufen. Als ältestes Stück präsentierten die beiden im gut besuchten Mozartsaal die populäre Cembalosonate K20 des italienischen Barockmeisters Domenico Scarlatti: Heftige Soli über die klare Funktionsharmonik und eine Atmosphäre wie beim legendären Modern Jazz Quartet.
Der modernen Jazzharmonik kommt die Musik von Maurice Ravel ohnehin sehr nahe. „Le Tombeau de Couperin“, 1930 entstanden, lässt sich zudem vom Rhythmus her leicht und elegant vom Jazz adaptieren, wie das bestens eingespielte Duo Burton/Ozone demonstrierte Im romantischen Rausch dann von Sergej Rachmaninoff das Prélude Nr. 8 aus op. 23, wobei Makoto Ozone bei der Themenvorstellung auf seinem Flügel nur die Basstöne markierte, um später wuchtige Akkorde zu setzen. Ganz dominant war der Japaner dann beim 3. Satz von George Gershwins Klavierkonzert in F-Dur. Gary Burton ließ hierbei bei den auskomponierten Parts auf seinem stets präsent tönenden Vibrafon die umarrangierte Orchesterbegleitung erklingen. Nach wie vor klöppelt er da traumwandlerisch mit vier Schlegeln zugleich. Wenn man in der Dynamik und in der Wahl der Tempi bei der gesamten Performance mehr Changierungen geplant hätte, wäre die der Set sicherlich noch spannungsreicher ausgefallen.
Richtung Soul und Funk ging es dann nach der Pause. Mit 30 Jahren ist der afroamerikanische Basser Christian McBride gerade halb so alt wie der überhaupt nicht ergraute Burton, aber ebenfalls ein künstlerisches Tausendsassa. Verblüffend ist, wie McBride dank elektrotechnischer Tricks den voluminösen Kontrabass quasi in eine jaulende Gitarre umfunktioniert, sei’s gezupft oder gestrichen. Knallige Sounds entfachte der bestens aufgelegte Künstler auf der Bassgitarre, wobei er freilich nie die Tricks zum Show-Selbstzweck verkommen ließ. Eher bedächtig hantierte an den diversen Keyboards Geoffrey Keezer, der einst als pianistisches Wunderkind bei Art Blakeys Jazz Messengers berühmt wurde. Auf das Tenor beschränkte sich nun der sich emotional kaum entfesselnde Saxofonist Ron Blake. Subtil und nie nervtötend traktierte Terreon Gully sein Drumset.
Im Repertoire des Quartetts fanden sich coole Balladen und brisanter Bebop, aber auch der Hit „Walking On The Moon“ von dem Popstar Sting, mit dem Christian McBride im Plattenstudio und auf Tournee war. Und da meinte man anfangs, aus McBrides Bassgitarre bei den Flageoletts eine japanische Koto-Zither herauszuhören, um schließlich bei aufreizenden Wah-Wah-Effekten mit extremem Vibrato zu landen.