Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
„Billy Cobham geht eigentlich in dem kompakten Big-Band-Sound ein wenig unter“, meint ein Besucher in der Pause. Darin mag ein Körnchen Wahrheit liegen, doch es ist gerade das banddienliche Spiel des Super-Drummers, seine überragende Metrik und sein differenziertes Spiel auf den Trommeln und Becken, das das Zusammenspiel des Schlagzeugers aus dem originären Mahavishnu-Orchestra der 70er Jahre mit der heutigen hr-Bigband so überzeugend klingen lässt. Wer Cobham in Rüsselsheim hört, kann nicht nachvollziehen, dass ihm einst kalte technische Extrovertiertheit nachgesagt wurde. So federnd und swingend wie er in dem New-Age angehauchten „A lotus in irish streams“ trommelt, ist er der perfekte und Basis legende Rhythmusgeber einer großen Formation. Selbst in einem rasenden Schlagzeug-Solo in „Eternity´s breath 1&2“ erweist er sich ebenso als integrierter Bestandteil des Ganzen wie in seinen flexiblen Breaks in „You know, you know“.
Hinzu kommt, dass die Arrangements des grenzüberschreitenden Komponisten Colin Towns nahezu perfekt von der technisch versierten und musikalisch inspirierten Bigband des Hessischen Rundfunks umgesetzt werden. Der komplexe Jazzrock des Gitarristen John McLaughlins mit der ungestümen Energie und halsbrecherischen Virtuosität, die Intensität seines dichten Spiels werden beim Konzert der „Jazzfabrik“ im fast ausverkauften Rüsselsheimer Theater in Klangemälde mit teils eruptiver Kraft, teils impressionistisch wirkenden Soundflächen adäquat umgesetzt, ohne dass die für eine Bigband charakteristischen Bläsersätze das Original vergewaltigen würden.
Das heißt nicht, dass das Orchester auf satte Riffs mit viel Power verzichten würde. Kompakte und drängende Bigband-Power löst mit urwüchsiger Kraft ein kreischendes Solo des Gitarristen Martin Scales ab, der im Opener „Hope“ sensibel mit einer filigranen Melodie die Stimmung für viele subtile und sensible Soli des Pianisten Peter Reiter vorbereitet. Reiter scheint auch mit romantisch-melodisch verspielten oder sperrig-treibenden Tastenläufen die Überleitungen zwischen den einzelnen Kompositionen übernommen zu haben. Diesen Eindruck verstärkt das lyrische Piano-Solo, mit dem Reiter nach „Dawn“ „Eternity´s breath“ einleitet sowie der folgende, plötzliche Wechsel zur full Band. Scales lässt die Gitarre im Duo mit der Posaune von Peter Feil „gurgeln“, Axel Schlosser steigt beim Trompeten-Solo in die höchsten Lagen. Und Oliver Leicht bläst eines seiner von innerem Feuer erleuchteten Altsaxophon-Soli. Leicht bläst auch flirrend die Flöte in „You know, you know“, das im Mittelteil mit feitonalen Einschüben überrascht. Tony Lakatos bläst ein sonores, cantables Tenorsaxofon-Solo, das mir einem polyrhythmischen, vielschichtigen Drum-Spiel endet.
„Lila´s dance“ lässt der gestenreiche Dirigent Mike Holober mit einem vielstimmigen Sopransaxofon-Satz reizvoll und originell erklingen. Reiter findet sich in einem melodischen und getragenen Duo mit dem Gitarristen Scale wieder und die Bigband zeichnet dynamisch abgestufte Klangfarbenspiele. Frisch, wild, sanft, aufregend, energievoll, spannend“ sind die Adjektive, mit denen die Arrangements und ihre souveräne Bewältigung durch die Einheit von hr-Bigband und Schlagzeuger Cobham beschrieben werden können. „Ich hätte nie gedacht, dass diese Kompositionen mal von einer Bigband gespielt würden. Mit diesen Aufnahmen wird ein Traum wahr!“ lobte John McLaughlin. Die Zuhörer des Konzertes „Mahavishnu Orchestra“ in der Rüsselsheimer Jazzfabrik werden dem Gitarristen Komponisten uneingeschränkt zustimmen.