Text & Fotografie: Klaus Mümpfer
Irgendwann muss das Thema doch auftauchen. Befriedigt atmen viele Zuhörer auf, als das Sebastian Sternal Trio zum Finale tatsächlich die Melodie von Cole Porters „You do something to me“ wiedererkennbar aufgreift. Zuvor hatten Pianist Sebastian Sternal, Bassist Sebastian Klose und Schlagzeuger Axel Pape den berühmten Standard auf seine Strukturen seziert, mit eigenen Ideen aufgefüttert und mit harmonischen Variationen gespielt.
Der Porter-Standard ist die einzige Fremdkomposition in diesem Konzert des Trios. Es beschließt souverän und mitreißend das herbstliche Festival „Begegnungen“ der Verbandsgemeinde Nieder-Olm im gut gefüllten Rathaus. Im Mittelpunkt stehen Kompositionen des Pianisten – teils melodisch und melancholisch, teils Up-Tempo und mit drängender Energie. Sternal ist ein extrovertierter Interpret. Selbst in leisen und sanften Passagen steht hinter seinen scheinbar tastenden und suchenden Akkordgriffen zurück gehaltene Kraft, die sich dann in wuchtigen Akkordblöcken oder rasenden Läufen ausleben darf. Mal schlägt der Pianist seine Akkorde mit weit ausgestreckten Armen in den Höhen und Tiefen kontrastierend gleichzeitig, mal hämmert er Cluster oder fügt Triller in einen Lauf. In den leisen und melodischen Teilen perlen Single-Note-Linien aus dem Instrument, beugt sich Sternal tief über die Tasten. Dann wird in „Coffee Bay“ die mystische südafrikanische Folklore-Stimmung hörbar oder in Place Dauphine“ europäische Klassik. Bassist Klose zupft eines seiner harmonisch reizvollen und verzierenden Soli und klopft schließlich mit dem Handballen auf den Saiten am Hals des Instruments.
Die Melodien werden zwar weitgehend notiert, doch die Improvisationen und Interaktionen der Musiker sind spontan und frei. Traumhaft sicher ist dennoch das Zusammenspiel des Trios – wenn etwa gegen Ende einer „Prelude“ Pianist und Schlagzeuger im Blickkontakt nicht abzählbare Pausen zum Klingen bringen. Oder wenn in „Ghana“ nach einer verspielten Solo-Einleitung auf dem Flügel der Bass sparsam mit Akkordeinwürfen unterlegt wird und Pape mit den Besen sanft über die Felle der Trommeln streicht. Treibendes Powerspiel kennzeichnet die schnellen Stücke “Abenteuer im Vis-a-vis-Bereich“, in denen Sternal seine Vorliebe zu Ostinati und Motiv-Variationen zum Bau weiter Spannungsbögen nutzt. Pape ist stets ein Schlagzeuger mit unfehlbarem Time-Spiel, Klose besticht selbst in straight gezupfter Begleitung.
Das Trio hat in den vielen Jahren der Zusammenarbeit einen eigenen Sound voll atmosphärischer Dichte gefunden und weiterentwickelt. Das ist umso bewundernswerter als das Trio wegen der räumlichen Entfernung (Klose wohnt in Berlin, Pape in Wiesbaden) nicht oft proben kann. In seinen Konzerten wechselt das Trion dramaturgisch geschickt von lyrischem zu kraftvollem Spiel, von eingängiger Melodik zu atonalen Aufbrüchen, von pulsierendem zu swingendem Jazz. Das Publikum in Nieder-Olm ist begeistert und erzwingt mit „Mississippi“ eine melodiöse und cantable Zugabe.