Für viele jüngere Schlagzeuger ist Billy Cobham das große Vorbild. Er ist der Mann, der das Schweizer Uhrwerk in das Drum-Set transplantiert hat, der Meister der Präzision von Time und Metrum, der dominante Trommler für den Fusion-Jazz. Cobham war der Mann, der in der Band von Miles Davis (beim wegweisenden „Bitches Brew“) und in John McLaughlin´s Mahavishnu Orchestra (vor allem in „Inner Mounting Flame“) die Musiker mit seinen Grooves vor sich hertrieb, seinerseits auf gestimmten Tom Toms melodieorientierte Figuren trommelte.
Dass Billy Cobham mehr noch als früher neben großer Kraft und rhythmischer Klarheit mit feinem Einfühlungsvermögen spielt, beweist er mit seiner neuen Band „Culture Mix“ beim Konzert der Rüsselsheimer Jazzfabrik, in der der Drummer auch leisere, ethnisch angehauchte Töne untermalt. Faszinierend sind noch immer seine rasanten Wirbel über den Snares, seine über dem Set kreisenden temporeichen Schlagabfolgen und der durchlaufende Beat, über den er atemberaubende polyrhythmische Drumfiguren legt.
Mag sein, dass das neue Quintett das ambitionierteste aller Cobham-Unternehmen ist. Fest steht, dass sich die Musiker auf ideale Weise ergänzen, wenn sie sich in dicht gewebten, intensiven und komplexen Kollektiven zusammenfinden. Dann verliert auch der Leader seine soundprägende Rolle, die er ansonsten trotz der virtuosen Soli der Mitmusiker während des ganzen, fast hundertminütigen Konzertes beibehält.
Es sind vor allem die hitzigen Solo-Ausflüge des dänischen Gitarristen Per Grade mit langen und rauen Glissando-Läufen oder hart angerissenen Akkordfolgen, die im Ohr bleiben. Ekstatische Aufschreie. Daneben klingt das melodische, helle Spiel von Junior Gill aus Trinidad in der Steel Drum nach, das vom Schlagzeug sensibel, von der Gitarre und den Keyboards mit ostinaten Melodiekürzeln und vom Bass mit einer weit gespannten Linie unterlegt wird. Witzig untermalt Junior Gill als Percussionist mit seinem Spiel auf Glöckchen, Hölzchen und Trillerpfeife den eher stupenden, durchlaufenden Beat der Stücke. Das Einzige, was kritisiert werden könnte, ist das einige Male als Soundteppich unterlegte, süßlich klingende Keyboard-Wabern des Spaniers Marcos Ubeda, der andererseits wieder mit kraftvollen Läufen und vereinzelten Clustern solistisch hervortritt. Es ist wohl das Vorrecht der Jugend, in Lyrik und Impressionismus zu schwelgen, wie die Intro einer Ubeda-Komposition belegt. Bassist Stefan Rademacher nimmt seine stützende Rolle hervorragend war. Seine meist straight geführten Läufe fügen sich homogen ins Gruppenspiel ein, in den leider nur wenigen Soli beweist der Deutsche aber auch, dass er mit harmonisch aufregendem und kreativem Spiel mehr kann, als nur solide zu begleiten.
Vom sanfteren, melodischen Steel-Drum-Stück in der Zugabe und Ubedas Impressionismus abgesehen, herrscht an diesem Abend Powerplay vor. Abrupte Dynamik-Sprünge, kochende Intensitätswellen und dichte Kollektive lassen vergessen, dass der Jazzrock bereits in die Jahre gekommen ist. Er lebt jedenfalls noch – besonders, wenn er mit karibischer Grundierung und europäischer Harmonieraffinesse verbunden ist.