Universal Music Austria
Es muss schon eine besondere Musik sein, die jahrzehntelang in irgendwelchen Schränken lagert, um erst nach einem Vierteljahrhundert schließlich erstveröffentlicht zu werden. Im Sommer 1978 begab sich Hans Koller mit Ronnie Ross, Herbert Joos (tp, flgh), Jürgen Wuchner (b) und Thomas Cremer (dr) ins Tonstudio Zuckerfabrik in Stuttgart. Die fünf Musiker spielten eine hochinteressante Platte mit freier Musik ein, voller Esprit und mit bemerkenswertem Einvernehmen.
Der 2003 verstorbene Koller hat alle möglichen musikalischen Phasen und Spielarten des Jazz seit 1945 aktiv mitgestaltet. Seit Mitte der 70er Jahre hatte er sich in kleinen Formationen, die er in wechselnden Besetzungen mit dem Gruppennamen „Free Sound“ umschrieb, einer freien Musik zugewandt, die auf ihre spezielle Art den Begriff Free Jazz interpretierte. Wenn er seine Gruppen „Free Sound“ nannte, dann versteckt sich darin das Grundkonzept dieser Gruppen. „Free Sound“ ist die Klammer, alle Musiker sind Melodiker, denen eine gewisse Art von „Wohlklang“ und Melodie vor der Betonung der Freiheit steht.
Überexpressive „Schreiphasen“ gibt es auf dieser CD nicht. Kollers Konzept läßt den einzelnen Musikern Raum zur freien Improvisation, untergeordnet allerdings einer gemeinsamen Grundstimmung. Ein Freiraum, der „die Freiheit des Andersimprovisierenden und –spielenden in der Gruppe jederzeit berücksichtigt. Free Jazz nicht als Selbsterfahrungstrip eines Solisten sondern größtmögliche Freiheit im Gruppenkonzept. So finden sich auch auf dieser Scheibe von jedem der Musiker ausgedehnte Soli, die allenfalls der gemeinsamen Grundstimmung untergeordnet sind. Kollektivimprovisationen wechseln mit ausgedehnte Duopassagen in denen die Aufmerksamkeit des aufeinander Hörens freien Passagen und arranganierten „anchorpoints“ wechseln –
teilweise straff durcharrangiert.
Hans Koller wehrte sich zu seinen Lebzeiten gegen die Veröffentlichung der vorliegendenen Aufnahmen, ohne, daß er selbst einen konkreten Grund nannte. Die musikalische Substanz kann es beim besten Willen nicht sein. Die Originaltapes wurden einem remastering unterzogen, der an der Klangqualität nicht mäkeln lassen kann. Die Aufnahmen haben ihren spezifischen Sound mit einer Art „trockenen“ Halls, der zu dieser Art von Musik exzellent passt.
Wer über freien Jazz wider besseres Hören schimpft, der sollte sich diese CD anhören und vielleicht ein ganz neues Jazz-Universum entdecken.