In der nüchternen Atmosphäre der ausgeräumten Autowerkstatt schälen sich aus dem schwebenden Soundteppich vorgefertigter Elektronik ein paar verschmierte Gitarrenakkorde, eine kurze Bassfigur sowie die sanfte Trommelarbeit auf den Fellen des Schlagzeugs. Dann bricht mit brachialer Gewalt der Grundrhythmus von Bass und Drums über die eher pastellöse Klanglandschaft herein und raut den Lounge-Jazz energetisch auf. Die gestopfte Trompete legt wie ein einsamer Rufer ihre Melodielinien und weit geschwungenen Spannungsbögen über das durchlaufende Rhythmusgeflecht. Die „Nighthawks“ haben Fahrt aufgenommen und lassen trotz der Eintönigkeit des Beats kaum Langeweile aufkommen.
Die Gruppe um das Duo Dal Martino (alias Volker Vaessen, E-Bass) und Reiner Winterschladen (Trompete, Flügelhorn) stehen für jene Musik, die gegenwärtig unter dem schwer zu definierenden Begriff NuJazz firmiert, eine hart groovende und zugleich melodiöse Mixtur aus Jazz und Rock, Punk und Funk, House und Drum& Bass, Detroit-Techno und Disco sowie technisch aus vorgefertigten Versatzstücken, eingespielten Samples und Live-Improvisationen.
Im Garagenkonzert der Klein-Winternheimer Kulturinitiative legen Oliver Jäger und Jürgen Dahmen mit Keyboards sowie Fender-Rhodes eine flächige Soundbasis, in der Thomas Alkier seinen zumeist durchlaufenden Rhythmus trommelt und in manchen Stücken eine kurze Double-Time-Phrase einschiebt, die die Stücke eine Weile energisch vorantreibt bevor sie wieder ins gewohnte Tempo zurückfallen. Gitarrist Markus Winstroer leistet Akkordarbeit auf den Saiten, oftmals im Geschwindigkeitsrausch mit rasenden Glissandoläufen, manchmal psychedelisch mit Pink-Floyd-Assoziationen, dann wieder jazzig perlend in der Tradition der coolen Jazz-Gitarristen.
Tonangebend ist in all diesen Soundgewittern Reiner Winterschladen, der mit der Trompete schneidend artikuliert wie in „Motorcycle“, oder mit dem gestopften Instrument sehnsuchtsvoll haucht wie in „Jetlag“, wo er den warmen und runden Ton des Flügelhorns auskostet. Hier bläst Winterschladen transparent in den Mittellagen, in „Norways treibt er die gepresste Stimme seines Instruments ohne Mühe bis in die High-Notes, bevor das Stück flirrend ausklingt. Er ist es, der den Stücken mal den melancholischen, dann wieder den erfrischenden Charakter verleiht – mit seinen Erfahrungen aus dem freien Jazz und der neuen Musik sowie aus Fusion und Rock – in einer Bandbreite zwischen Miles Davis und Erik Truffaz. Dann steht der 49-jährige Trompeter bei seinen intensiven Ausflügen auf der kleinen Bühne, windet sich und lässt keinen Millimeter zwischen Dämpfer und Mirkophon, während Martino stets relaxed den Bass zupft.
Thomas Alkier bekommt seine Chance für ein Drum-Solo, Oli Jäger auf den Keyboards für einen ausgedehnten jazzigen Pianolauf. Ruhige Klanggemälde wechseln mit treibenden Up-Tempo-Stücken. Natürlich darf auch ein Stück aus der erste CD „Citizenwayne“ nicht fehlen: „Manana“ aus der Bronco-Suite, eine Hommage an Ennio Morricone. Die Zuschauer in der kalten, dunklen Halle tanzen nicht nur, um sich zu erwärmen. Es fällt schwer, bei dieser dancefloor-geeigneten Jazzvariante die Füße still zu halten. Das Generationen übergreifende Publikum in der Halle kann an diesem Abend nachvollziehen, dass die Nighthawks im April dieses Jahrs den Jazz-Award für mehr als 10 000 verkaufte Exemplare ihrer CD „Metro Bar“ in Empfang nehmen durften.