„Klezmers Techter“ beim Jazzclub Rheinhessen in Wörrstadt, 22.02.2013

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer

Von der alten Welt des osteuropäischen ‚Shtetl‘ zeugt die Musik der Klezmer, der jüdischen Spielleute – von einer Welt der kleinen Leute mit ihren Träumen und Sehnsüchten und ihrer Fröhlichkeit, mit ihrer Trauer und Lebenskraft, die sich im Rhythmus ihrer Musik wiederfindet. „Badeken di Kallah“ beschreibt ein jüdisches Hochzeitsritual, bei dem das Gesicht der Braut (= Kalle) wieder mit einem Schleier bedeckt (= badeken) wird, nachdem sie der Bräutigam für einen kurzen Moment ohne Schleier sah. So heißt auch eine Komposition von Leib Yakoov Rigler, die Klezmers Techter anfangs bedächtig und getragen sowie später schreitend spielen und die schließlich festlich fröhlich im Überschwang auf der Piccolo-Flöte mit einem Tanz endet. „Uvyom Hushabbat“ beschreibt musikalisch die Atmosphäre an der Klagemauer in Jerusalem. Die Bassklarinette von Gabriele Kaufmann brummt in den Tiefen. Almut Schwab beschreibt die Stimmung mit Single-Notes und Akkordfolgen auf dem Hackbrett, Nina Hacker zupft reizvolle Harmonien und einen Sololauf auf dem Kontrabass.  
Die Klarinette jubiliert und jauchzt, klagt und seufzt. Sie wird überspitzt geblasen und steigt in die High Notes. Die Bassklarinette grummelt und brummt in den Tiefen, schreitet majestätisch voran. Das Akkordeon liefert sich mit der Klarinette und der größeren Schwester heiße Duette oder spielt in der Intro zu „Tango“ zum Tanz auf. Die beiden Instrumente feuern sich gegenseitig im Ruf-Antwort-Spiel an, während in der ruhenden Mitte der Kontrabass das Duett mit sparsamen Akkordeinwürfen kommentiert oder mit gezupften Läufen die melodischen Linien unterlegt. 
„Klezmers Techter“ füllen beim Gemeinschaftskonzert des Jazzclubs Rheinhessen und des Kulturkreises Wörrstadt die Musik der Klezmorin mit Leben. In ihren Stücken verbinden die drei Künstlerinnen traditionelle Klezmermusik der aschkenasischen Juden Osteuropas mit lateinamerikanischen Tänzen, Jazz-Elementen und orientalischen Skalenklängen. Gabriele Kaufmann mit Klarinette und Bassklarinette, Almut Schwab mit Akkordeon, Flöten und Hackbrett sowie Nina Hacker am Kontrabass erzählen von Leid und Freude der Menschen. Sie interpretieren das Klagelied eines Holocaust-Überlebenden langsam und voller Trauer mit fast zur Unhörbarkeit zurückgenommenen Sounds. Almut Schwab lässt in der Einleitung zu „Der Khusid geyt tantsn“ das Akkordeon hauchen und atmen, während Gabriele Kaufmann die Bassklarinette zunächst in den tiefen Lagen swingen lässt und Nina Hacker den Kontrabass mit dem Bogen streicht. Die allgegenwärtigen Harmonien der Klezmer-Musik drängen nach vorn. Die Intensität wird verdichtet und das Tempo steigert sich zum Tanz. Die Melodielinien von Akkordeon und Bassklarinette umspielen und umranken einander. An anderer Stelle lassen Kaufmann und Schwab ihre Instrumente unisono erklingen. Dann wiederum fechten sie in heißen Duetten um die Vorherrschaft.  
Bei „Mazltov“ assoziiert das Akkordeon Mainzer Fastnachtsklänge. Der „Bulgar“ ist ein schneller Tanz im Zwei-Viertel-Takt aus Bessarabien. Klezmers Techter spielen diesen bei den Klezmorin so beliebten Tanz beschwingt und mitreißend vital. Die Klarinette steigt in die spitzen Höhen und jubiliert mit Vibrato. Kaufmann hält den Ton mit einem Ansatz von Zirkularatmung. Bassistin Hacker arrangiert „Fun Tashlikh“ funky swingend. Dabei lässt sie das mächtige Instrument zum Duett von Bassklarinette und Akkordeon gradlinig marschieren. 
„Klezmers Techter“ faszinieren das Publikum in der ausverkauften Wörrstädter Neubornhalle mit der Melancholie oder überschäumenden Lebensfreude der Klezmer Musik, mit virtuoser Technik und charmanter Moderation, wobei Almut Schwab als „echt Münzer Kind“ eine komödiantische Rolle übernimmt. Klezmer ist eine Verbindung der hebräischen Wörter „Kli“ und Zemer“ und bedeutet so viel wie „Gefäß für die Musik“. Dass sie diesem Anspruch der Klezmorin gerecht werden, das hat das Trio dem begeisterten Publikum bewiesen. 

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