Red Hot Hottentots mit Bebop-Phrasen in Rüsselsheim, 27. April 2013

Text & Fotografie: Klaus Mümpfer

Anachronismus nennt Bernd K. Otto, der künstlerische Leiter der „Red Hot Hottentots“, jenes Experiment, mit dem die Band Swing-Kompositionen um prägnante Bebop-Riffs erweitert. Anachronistisch deshalb, weil die Musiker bewusst die erst später im Jazz gefundene Bebop-Phrasierung als künstlerisches Mittel spannungssteigernd mit dem Viertel Beat des Swing in einen widersprüchlichen zeitlichen Kontext setzen. Bei ihrem Konzert im Rüsselsheimer Festungskeller wagen die Mannen um den Banjo-Spieler Otto diese Symbiose gleich mehrfach erfolgreich. Sie verbinden „Honeysuckle Rose“ von Fats Waller aus dem Jahr 1929 mit Charlie Parkers „Scapple from the Apple“ von 1947. Die Verbindung liegt nahe, weil Parker die Akkordfolgen aus dem ursprünglichen Stück für seine Bearbeitung entlieh. Anachronistisch aber auch deshalb, weil die Band die Bebop-Riffs der Bläser mit Sousaphon und Banjo realisiert.  

Die Red Hot Hottentots öffnen sich zwar dem Bebop, aber die Musiker bleiben im Jazz der frühen Jahre verwurzelt. Nur noch drei Herren aus der Gründungszeit der Band mit dem legendären Horst Dubuque spielen im heutigen Sextett: Der Posaunist Walter „Mike“ Möwes, der Schlagzeuger Horst Buchberger und Engelbert Christmann am Sousaphon. Mit seinem riesigen Blasinstrument stützt er solide die rhythmische Basis. Buchberger trommelt eher sensibel und bei „Sweet Georgia Brown“ gesellen sich an Becken und Trommeln der Pianist Dirk Raufeisen und der Banjo-Spieler Bern Otto ihm zu.  

Derart Spielwitz und Spielfreude zeichnen den Auftritt der Band aus. Mal droht der Banjospieler dem Pianisten, in die Tasten der High-Note-Lagen zu greifen, mal wird ein Missgeschick in der Band souverän mit einem faszinierenden Duo des Pianisten und des Trompeters Klaus Osterloh überbrückt. Kein Wunder, dass es in der ohnehin lockeren Jazzkeller-Atmosphäre oftmals zu spontanen Zwiegesprächen von Publikum und Musikern sowie Beifallskundgebungen kommt.  

Der Trompeter Klaus Osterloh, Neuzugang von der WDR-Bigband, ist an diesem Abend einer der hervorragenden Künstler. In der Interpretation des unvergessenen Billie Holiday-Songs „Do you know what it means to miss New Orleans“ bläst er, auf dem Bühnenrand sitzend, warm und gefühlvoll sein Instrument im Duo mit dem Pianisten Dirk Raufeisen. Dieses bewegende Heimwehstück mit den großen Intervallsprüngen und der blueslastigen Melodie wird so zu einem der Highlights dieses Konzertes, in dem zuvor Wilson de Oliveira in dem getragenen „Creole Love Call“ von Duke Ellington zuerst verzierend die Melodielinien der anderen Bläser umspielt, um dann in ein gefühlvolles Solo einzusteigen. 

Dirk Raufeisen, der den Abend amüsant moderiert, hämmert beim „Up and Down Boogie“ ein bis zur Rasanz sich steigerndes Solo in die Tasten.

Zum Schluss wandern die Red Hot Hottentots zu den Klängen der „Bourbon Street Parade“ durch den Festungskeller – begleitet vom rauschenden Applaus der zahlreichen Zuhörer.

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