Ist das eigentlich Jazz, was die Rüsselsheimer Jazzfabrik mit Susi Hyldgaard dem Publikum präsentiert? Gewiss, es gibt Kompositionen wie das schnelle und rockige „Dance with me“, das jazzmäßig swingt und groovt, in dem die Sängerin und Pianistin Hyldgaard in bester Jazztradition singt und scattet und in dem den Bandmitgliedern Gelegenheit zu ausgiebigen Alleingängen gewährt wird: ein trockenes Schlagzeug-Soli von Anders Pedersen, ein groovender Basslauf von Jannik Jensen und ein mitreißender Part von Bjarke Falgren auf der pizzicato gezupften und vehement gestrichenen Violine. Mehrheitlich aber bewegt sich die Dänin eher auf dem Feld der Singer-Songwriter, auf dem sie auch die Ernte aus Bebop- und Folk-Elementen sowie aus Pop und Housebeat einfährt.
Was Susi Hyldgaard auf höchst eigenwillige Weise aus dieser Melange macht und durch eindrucksvolle Texte unterstreicht, kann durchaus begeistern. „I don´t believe in love“ beginnt sie solistisch mit einem romantischen und verspielten Pianolauf sowie mit hymnisch wirkenden Akkordfolgen und ihrer warm klingenden Stimme. Später gesellt sich eine gefühlvoll gestrichene Violine hinzu, ein gezupfter Mittelteil sorgt für eine kurze Unterbrechung dieses kammermusikalisch interpretierten Songs. Eine zarte Melodielinie auf der Maultrommel und die Violine eröffnen „Seeking“, in das Hyldgaard mit getragenem Gesang einstimmt, bevor das Stück schneller wird, an Kraft gewinnt und folkrockig daherkommt.
Es sind vor allem die Vorliebe der Komponistin für abrupte Dynamiksprünge und Wechsel der Metren, die Spannung erzeugen. Sie selbst begleitet sich auf den Flügel sparsam – oftmals nur mit hingetupften Single-Notes, dann wieder mit knappen Akkordschichtungen. Nur in jazzigen Passagen lässt sie verschleppten Bebop-Phrasen ihren Lauf.
Bewundernswert ist ihre stimmlich Ausdrucksstärke. Susi Hyldgaard ist eine selbstbewusste Geschichtenerzählerin und ebenso routinierte wie einfühlsame Interpretin ihrer Miniatur-Theaterstücke, mal in der Intonation nahe am Sprechgesang, dann wieder kraftvoll aufschreiend wie eine Gospelsängerin. Dabei pendelt ihre Stimme zwischen sanftem Balladen-Alt und expressiv gepressten höheren Tonlagen – wild und zart, atemlos und ruhig.
Solche Soundlandschaften verlangen von den Wanderern sensible Anpassungsfähigkeit. Dieser Forderung werden Geiger, Schlagzeuger und Bassist gerecht. Jensen und Pedersen spielen Bass und Drums in der Regel zurückhaltend und stützend, während Falgren mit seiner Violine zumeist in Duos mit der Sängerin einbezogen wird. Hin und wieder rundet Hyldgaard den Sound mit elektronischen Einspielungen ab oder legt eine rhythmische Bass-Basis wie in „Blush“, dem Titelstück ihrer jüngsten CD.
Zwischen den Stücken unterhält die Dänin das Publikum mit launischen Ansagen. Humor ist es auch, der selbst ihre Liebeslieder untergründig prägt, und der etwa in „Thai Food“, einem Song, in dem sie sich den Frust eines Essens in Leipzig von der Seele singt, offenkundig wird. Das Publikum genießt die Performance und erzwingt zwei Zugaben, in denen Susi Hyldgaard endlich auch zum Akkordeon greift.