Jacky Terrason sowie Nils Landgren und Rigmor Gustafsson konzertierten
Stuttgart. „Die größten Namen des Jazz in den schönsten Hallen – Deutschlands – das ist seit nunmehr fünf Jahren Credo und ‚mission statement’ der JazzNights“ frohlockt die Konzertdirektion Karsten Jahnke in einem PR-Text. Von der schmucken Liederhalle ist man in Stuttgart jetzt allerdings in das Industriemonument des neuen Theaterhauses gewechselt. Der Posaunist Nils Landgren ging – Anfang Dezember letzten Jahres – gefühlsvoll bereits im Mozartsaal auf „A Sentimental Journey“, jetzt brachte der Schwede seine Landsfrau Rigmor Gustafsson mit, die bereits bei einem Stück der gleichnamigen Platte mit von der Partie war. Zudem ist auch der Pianist Jacky Terrason in Stuttgart, wo er im Jahre 2002 sowohl bei den JazzNights als auch bei den JazzOpen auftrat, kein Unbekannter mehr – aber immer wieder für eine kreative Überraschung gut.
1965 wurde Jacky Terrason im deutschen Westberlin als Sohn eines Franzosen und einer Amerikanerin geboren, nach musikalischen Jahren in Paris zog er 1990 nach New York, der Jazz-Welthauptstadt, um. Seine Kunst, scheinbar ausgelaugte Standards trickreich frisch zu präsentieren, bescherte dem Tastenkünstler bei Kritikern und Zuhörern immense Anerkennung. Auf seiner neuen CD „Smile“ macht er sich beispielsweise gewitzt an „Autumn Leaves“ und an „My Funny Valentine“ heran, seziert das Material und entwickelt es feinziseliert weiter– ohne sich lang bei der Themenvorstellung aufzuhalten. Melodie und Harmonien sind inzwischen ja Allgemeingut, denkt er sich wohl. Zusammen mit dem Bassisten Sean Smith und dem Schlagzeuger Eric Harland hat er ein bestens eingespieltes Trio geformt.
Eine Wonne war, was er wieder aus Maurice Ravels „Bolero“ heraus zauberte. Das triolische Rhythmus-Perpetuum vollführte Terrason sehr perkussiv, indem er die Saiten im Inneren des Flügels mit einer freien Hand abdämpfte. Immer wieder kam diekraftvolle Melodie zum Durchbruch, durchflochten von grazilen Arpeggien. Freilich endete diese Version – bei einem kurzem Exkurs auf dem E-Piano – mit einem mächtigen Crescendo. Zum Schluss gab es das Thema meditierend in Zeitverzögerung.
Elf Monate nach seiner letzten Tour schickten die JazzNights den knabenhaft hoch singenden Posaunisten Nils Landgren schon wieder auf die Tour durch deutsche Landen, und dies mit ziemlich ähnlicher Konzeption und Besetzung: Staffan Svensson (Trompete), Dieter Ilg (Bass), Roberto di Gioia (Piano), Wolfgang Haffner (Schlagzeug) sowie das elektronifizierte „Flesh“-Streichquartett plus integriertem Drummer. Nach wie vor viel harmloses Balladen-Gesäusel – und nachtrauernde Gedanken, dass Landgren mit seiner rot lackierten Yamaha-Posaune im Genre „Funk“ ein furiöser Könner ist.
Viele feminine Vokalstars erobern die einschlägigen Charts: Diana Krall, Jane Monheit, Norah Jones. Letztere sei von Rigmor Gustafsson von Platz 1 der Jazz-Hitparade nach 74 Wochen verdrängt worden, ließ das deutsche Label ACT Anfang September in einer E-Mail an die geneigten Musikkritiker verlauten. Allerdings: Auch die schwedische Mezzosopranistin trällert lieb und nett ihre Liedchen und verschmäht – der seligen Ella Fitzgerald sei’s erneut geklagt – das Jazz-Primat der Improvisation. Kein kreatives Scat-Solieren eben auch bei der grotesk miniberockten und hochhackig beschuhten Rigmor Gustafsson. Erneut eine betuliche Form von „Easy Listening“, die mehr auf Kommerz als auf Kreativität zielt.
Die nächste JazzNight gibt es in Stuttgart wieder im Theaterhaus am 20.November mit der Formation Shakti des schottischen Gitarristen John McLaughlin.