Thelonious Monk war eine der interessantesten Gestalten des Jazz und einer seiner originellsten Komponisten. Was liegt also näher als die Idee, diese Werke am Stück als Gesamtwerk einzuspielen. Alexander von Schlippenbach, der sich zu diesem Zweck mit der Formation „Die Enttäuschung“ zusammengetan hat, setzt noch einen drauf und so präsentieren fünf Musiker Monks Gesamtwerk komplett an einem einzigen Abend bei Enjoy Jazz 2004 in der Alten Feuerwache Mannheim.
Monk ohne doppelten Boden, es gibt keine elektrische Verstärkung und nur für drei der Monkschen Werke werden Noten benötigt – diese drei haben die Musiker erst im Verlauf des Projektes (für sich) entdeckt…
„Die Enttäuschung“ ist keine – und Rudi Mahall an der Bassklarinette, Axel Dörner an der Trompete, Jan Roder am Baß und der Schlagzeuger Uli Jenneßen.Rudi Mahall legt vor als gäbe es kein drittes Set. Klar – er spielt auch einmal ein Solo ganz straight aber vor allem ist er ein Meister darin, aus seinem Instrument die abseitigeren Geräusche hervorzulocken. Die Bassklarinette ist ganz wunderbar geeignet in den tiefsten Lagen herumzuschnattern, lässt sich von Herrn Mahall willigst quakig überblasen und eignet sich vorzüglich dazu, patzige Akzente in die Soli der Mitmusiker platzen zu lassen.
Mahall hat offensichtlich den allergrößten Spaß mit den genial-schrulligen Kompositionen, zeigt die gewohnt dynamische Beinarbeit und ist außerdem für die launigen Ansagen zuständig, es sind nicht allzuviele, denn: „…ich hoffe Sie haben Verständnis, daß wir heute von der Bühne nicht besonders viel runtersprechen. Weil, es würde die Zeit noch verlängern. Dann würden Sie heute Nacht noch nicht so früh nach Hause kommen, wie Sie es wahrscheinlich wünschen. Und da hier die letzten U-Bahnen wahrscheinlich auch um 12 Uhr….“ Im U-Bahnlosen Mannheim nicht wirklich eine Drohung, das Publikum nahm es mit Gelächter.
Bestens ergänzt Rudi Mahall den Trompeter Axel Dörner, der mit seinem offenen Attacca-Stil den kantigen Monk-Themen die nötige Schärfe verleiht und der mit Mahall die dissonanten Reibungen erzeugt, die dem Monk-Mahl die nötige Würze geben. Überhaupt zeigen alle Musiker die gewisse Nonchalance, sich durchs Mammutprogramm zu kämpfen. Sie nähern sich Monks Musik nicht behutsam, sondern mit Mut und Respektarmut. Die meisten der Monkschen Themen sind ausreichend robust, andere wie „Round Midnight“ werden schon einmal recht lakonisch abgehandelt. Insgesamt gelingt Ihnen die Balance zwischen emanzipatorischer Distanz und respektvollem Umgang mit Monks Material.
Das gilt auch für Alexander von Schlippenbach. Er zehrt immer noch vom Ruhm, einer der Oberfreejazzer Europas zu sein aber im Umgang mit Monk ist er als Pianist und Mastermind der Gruppe doch allzeit nahe am Geist des Originals.
Obwohl im Programmheft ein fünfstündiges Konzert angedroht war, reichten drei Sets von jeweils knapp einer Stunde aus, das Gesamtwerk (wer hat nachgezählt?) komplett zu spielen. Im dritten Set wurden einige Show-Elemente eingebaut – vielleicht hatten Schlippenbach und Co. (die gänzlich unbegründete) Angst, dem Publikum würde es doch etwas lang werden.
So durfte Uli Jenneßen mit einem bis dahin achtlos herumliegenden roten Gummiball den Rhythmus …bei jenem Stück, dessen Name mir gerade nicht einfällt… in Form einer gymnastischen Ballübung quer durchs Publikum zum Besten geben, es wurde eine spartanische Lightshow mit einer Stehlampe inszeniert und Dörner und Mahall wälzten sich in Rockstarmanier auf dem Boden. Einen gewissen Showcharakter hatte auch Schlippenbachs Griff zur Trompete – ein Mutmacher für alle Amateurtrompeter sich gelegentlich auch einmal auf eine Bühne zu trauen…aber spaßig!
Nach knapp vier Stunden war alles vorbei und die Zuhörer waren sich sicher: Es war eines der Highlights bei Enjoy Jazz 2004.