Fans trotzen dem Regen
„I´m singing in the rain“ stimmte Gregor Meyle akustisch seine Zuhörer auf die Wettersituation ein, als während seines Auftritts beim Festival „Worms Jazz & Joy“ ein Starkregen niederprasselte. Der Wettergott meinte es wahrlich nicht gut mit den immerhin mehr als 16 000 Besuchern des dreitägigen Musikfestes auf den fünf Open-Air-Plätzen rund um den Wormser Dom. Immerhin ließ das wechselhafte Wetter Künstler und Zuhörer näher zusammenrücken.
Meyle war neben Tim Bendzko, dem 28 jährigen Songpoeten aus Berlin, einer der Stars der Joy-Seite des Festivals, das auf der Jazz-Schiene bekannte Musiker wie den Veteranen Wolfgang Schlüter am Vibraphon, den französischen Bassklarinettisten Louis Sclavis, den Funk-Altmeister Maceo Parker und das Trio mit dem Saxophonisten Christof Lauer, dem Bassisten Dieter Ilg und dem Schlagzeuger Patrice Heral als einige der zahlreichen Highlights präsentierte.
Zu den Überraschungen, zählte das zumindest in Deutschland noch weitgehend unbemerkte Trio des italienischen Bassisten Roberto Bonati mit dem Schlagzeuger Roberto Dani und dem Pianisten Alberto Tacchini. Der Kontrabassist aus der Wormser Partnerstadt Parma bezieht seine klassische Ausbildung in die kammermusikalischen Interpretationen mit Elementen freier Improvisationen und pulsierenden Rhythmen ein – ganz gleich, ob es sich um eigene Kompositionen wie “Setembre“ und „Misere II“ oder um Verdi-Bearbeitungen wie „Lacrymosa“ handelt. Das Trio war sicher für viele Jazzfreunde die Entdeckung dieses an bekannten Künstlern reichen Festivals.
Am Abend zuvor hatte ein Sextett aus Bonatis Studenten und Schülern der Wormser Musikschule unter dem Saxophonisten Gary Fuhrmann, Lieder des Minnesängers Friedrich von Hausen einfühlsam in Jazzarrangements umgesetzt. Die jungen Musiker wurden dabei der einstimmige Melodieführung sowie der Melancholie des Ideengebers aus dem 12. Jahrhundert in flächigen Sounds trefflich gerecht.
Ein sehr junges Trio hat der 81-jährige Vibraphonist Wolfgang Schlüter um sich geschart. Neben dem Altmeister mit seinem mal rasanten, mal bedächtigen Zwei- und Vier-Klöppel-Spiel brillierte vor allem Boris Netsvetaev am Piano in dem stets swingenden Spiel mit ungeraden Metren in sperrigen Läufen. Schlüter erinnerte mit einer vielschichtigen Komposition an seinen verstorbenen Freund Albert Mangelsdorff, ließ in einer Ballade die Tonfolgen aus dem Vibraphon wie Wasser in einem Bachlauf perlen und überraschte immer wieder komplexen harmonischen Wendungen.
Kammermusikalischer Jazz in seinen vielfältigen Ausprägungen von der zeitgemäßen Interpretation eines Sidney-Bechet-Klassikers durch den Saxophonisten Christof Lauer im Trio mit Ilg und Patrice Heral über die „folklore imaginaire“ des Bassklarinettisten Louis Sclavis bis zur nordischen Sensibilität in der Musik des Matthias Eick Quintetts zog sich wie ein roter Faden durch die Jazz-Abteilung des Wormser Festivals. Der Trompeter Eick zeichnete dabei mit seinem Blech grandiose Klangbilder.
Sclavis erzeugte Spannungsbögen mit ostinaten Akkorden auf dem Keyboard von Benjamin Moussay und filigranen Läufen auf der Gitarre von Gilles Coronado, die er mit teils lyrischen, aber auch überblasenen Linien auf der Klarinette und Bassklarinette auflöste. Bei einer so faszinierenden Klangsprache vergaßen die Zuhörer unter ihren Regenschirmen den nassen Guss vom Himmel.
Langsam und ruhig eröffnete auch der Posaunist Nils Wogram mit dem Hammond-Organisten Arno Krijger und dem Schlagzeuger Dejan Terzic sein Konzert. Mal rau und rufend wie in „Solitude“, mal in sanften Läufen wie zum Glockenspiel von Terzic oder percussiv in einer Up-Tempo-Komposition „Bird“ seines neuen Programms „Nature“, zog das Trio die Zuhörer bis in die Nacht in Bann. In diese Schiene passte sich auch das Trio des Schlagzeugers Oliver Strauch mit seinen Latin-inspirierten Kompositionen ein. Etwas hinter den Erwartungen blieb die Musik des Schmid-Brämswig-Quartetts zurück. Die Siegerband des Wormser Jazzpreises war lyrisch und groovend schon spannender zu hören.
Ganz anderer Art war der Auftakt des Festivals mit dem Funk-Meister Maceo Parker. Der Saxophonist wirbelte in feinem Zwirn über die Bühne und wurde in seiner gewohnt mitreißenden Präsentation von der vorzüglichen Begleitband groovend unterstützt. Die mit vielen Vorschusslorbeeren bedachte, charmante Sängerin Stacey Kent konnte mit ihren französischen und amerikanischen Liedern nicht voll überzeugen. Gefühlvoller war der Auftritt des Bossa-Künstlerin Viviane de Farias mit ihrer Band sowie die mitreißende „Tango Transit“ mit Akkordeon, Bass und Schlagzeug bei ihren Piazzolla-Arrangements. Vergnüglich bleibt der Auftritt von „De Phazz“ mit der Sängerin Pat Appleton in Erinnerung. Ihr traditions-orientiertes Publikum fanden die Männer von der „La Vida New Orleans Band“ vor allem mit der treffenden Frage „Why we dance on Mardi Gras.“
„Worms Jazz & Joy 2014“ belegte, dass neben den Publikums-Magneten Bendzko und Meyle, die zur Finanzierung beitragen, die Jazzfans nicht zu kurz kommen. Dass sie trotz des widrigen Wetters so zahlreich kamen, belegt die kluge und geschmackvolle Programmgestaltung des künstlerischen Leiters David Maier und seines Beraters Thomas Siffling.