STUTTGART. Nur gedämpfte Beachtung fand Diana Krall mit ihrer CD „Stepping Out“, die 1993 bei dem deutschen Label „Enja“ herauskam – das Cover zeigte die Künstlerin großformatig mit relativ kurzen brünetten Haaren. Einen netten und fast biederen Eindruck hinterließ sie da rein optisch. Doch ab 1999 erregte die Kanadierin Aufsehen mit durchgestylten Fotos, die ihr cleveres Marketing verteilte und weltweit (nicht nur) in speziellen Jazz-Zeitschriften publiziert wurden. Nun war die singende Pianistin zur langhaarigen Blondine mutiert – coole Erotik allenthalben. Der Plattenkonzern „Verve“ machte für die Einspielung „When I Look In Your Eyes“ aggressiv Werbung und lud für die PR-Maßnahmen zahlreiche Musikjournalisten in die besten Hotels ein. Bei dem Nachfolgealbum „The Look Of Love“ hatte Diana Krall ein edles Sinfonieorchester hinter sich und hielt alsbald mit massenhaften Verkaufszahlen sogar Einzug in die Pop-Charts.
Nunmehr wird die Grammy-Gewinnerin von einer Talk-Show zur nächsten Fernsehsendung weiter gereicht und erzielt ausverkaufte Konzerthallen. Derweil apostrophiert sie die Kritikerzunft als „Beauty Lady des Jazz“, als „erfolgreichste Jazz-Künstlerin der Gegenwart“, als „libidinöse Sängerin“, als „gefälliger Engel“ sowie als „musikalisches und mediales Phänomen“. Im Internet lassen sich mittlerweile Bildschirmschoner der blondierten Jazzschönheit downloaden und genüsslich Fotogalerien abrufen…
Im Rahmen einer erneuten Deutschland-Tour gastierte Diana Krall nach zwei Jahren wieder im Beethovensaal des Stuttgarter Konzert- und Kongresszentrums Liederhalle. Diesmal brachte die 37-Jährige als Begleiter den brasilianisch angehauchten Gitarristen Dan Faehnle, den so solide wie unauffällig begleitenden Kontrabassisten Ben Wolfe und den dezenten Schlagzeuger Rodney Green mit.
Doch das Spiel des Quartetts war völlig vorgeplant und durchkonzipiert, kommunikatives Interplay erfolgte selten, für wirkliche Spontaneitäten gab es kaum Freiraum. Solistisch glänzte immer wieder Dan Faehnle an den Korpusgitarren auf. Diana Krall, die bereits im Alter von vier Jahren das Klavierspiel erlernte, ist bestimmt eine ordentliche Pianistin mit reichlicher Jazzclub-Erfahrung. Nach wie vor praktiziert sie gerne die Kombination von prallen Blockakkorden mit perlenden Läufen, als besondere Virtuosin kann sie jedoch nicht gelten. Da kommt die Kanadierin aus dem übermächtigen Schatten ihres Landsmannes Oscar Peterson, der ja schon so oft auf der gleichen Bühne der Liederhalle brillierte, nicht heraus.
So wenig wie Diana Krall instrumental innovativ ist, so wenig kreativ erscheint sie dem kritischen Ohr in sängerischer Hinsicht. Mit ihrer Alt-Stimme schafft sie eigentlich nichts Neues, und ihr dunkles Timbre läuft Gefahr, in Eintönigkeit zu verfallen. Gewiss, Diana Krall vermag es, für ihre Fans behaglich-prickelnde Atmosphäre zu verbreiten und den guten alten Swing aufleben zu lassen. Last but not least: Wenn man sich Jazzvokalist(in) nennt, sollte man doch auch scatten und improvisieren wollen und können. Aber was für Ella Fitzgerald noch ein Grundbedürfnis darstellte, erscheint heutzutage für Diana Krall (und für die ebenfalls so hochgelobte Jane Monheit) zweitrangig.
Nur vertraute Lieder gut nachzusingen – dies ist doch zu wenig, auch wenn man sich Mühe gibt, in der Interpretation jedes Wort noch einzeln auszudeuten.
Diana Krall ehrte jetzt und bediente sich vornehmlich an Songs von Nat „King“ Cole, Cole Porter, Peggy Lee und Billy Joel. Als obligatorische Zugabe hielt sie es mit George Gershwin: „’s Wonderful“. Ein Dank für die Blumen und an das jubilierende Publikum. „Easy Listening“ – no problems, Good Night.
Übrigens: Als das Grüppchen der vor der Bühne lauernden und kauernden Fotografen nach den ersten beiden Liedern hinauskomplimentiert wurde und es – wie ansonsten nur bei Pop-Stars üblich – die Kameras in Verwahrung geben musste, maulten die Klick-Profis: Gelächelt habe die Diva wieder überhaupt nicht, nichts Besonderes sei an ihrem Gesang dran. Diana Krall – mehr Schein und Design als Sein? Wenn die beiden farbigen Vokalistinnen Dianne Reeves (März 2002) und DeeDee Bridgewater (April) innerhalb der Tour „JazzNights“ antreten, ist jedenfalls mehr Unmittelbarkeit und Explosivität angesagt.
(Februar 2002)