Esslingen – Nach dem Quartett des vorwitzigen Saxophonisten Carlo Actis Dato präsentierte das Kulturzentrum „Dieselstraße e.V.“ mit der Sängerin Christina Zavalloni eine weitere Kostprobe der aktuellen Jazz-Szene Italiens. Auch hier ging es nicht ohne Humor ab, etwaige musikalische Spartengrenzen wurden schlichtweg negiert. Und die europäische Einigkeit in Sachen Kunst wurde wieder einmal durch die französischen Tubisten Michel Godard unterstrichen, einem vielbeschäftigten Virtuosen, den man auf internationalen Festivals und auch schon wiederholt beim sonntäglichen „Jazz in der Dieselstraße“ als einen stets flexiblen und sensiblen Musikanten erleben konnte.
Die drei italienischen Instrumentalisten vom „Open Quartet“ eröffneten das Konzert mit einer verqueren Collage mit stereotypen Traditionsjazzphrasen und aufmüpfigen Avantgarde-Sprengseln. Als dann die 25jährige Christina Zavalloni auf die Bühne kam und nicht immer intonationssicher und stimmgewaltig Duke Ellingtons „Sophisticated Lady“ interpretierte, schien eine mittelmäßige Night-Club-Performance zu drohen. Doch mit einer Eigenkomposition, die textlich eine eheliche Auseinandersetzung zum Inhalt hatte, riß die Mezzosopranistin das Ruder in eine andere stilistische Richtung herum. Da klang es plötzlich nach den deklamatorischen Songs von Kurt Weill, wobei theatralische Gesten der klassisch ausgebildeten Sängerin die Dramatik intensivierten.
Bei einem herzigen und vergnüglichen Duo mit Michel Godard, dem zungenflinken und lippenstarken Tubabläser, setzte die aus Bologna stammende Vokalistin neben italienischer Sprache auch „wortsinnlose“ Scat-Techniken ein und imitierte den Trompetensound. Im Laufe des Abends festigte sich ihre Stimme. Stilistische Vielfalt ist derzeit symptomatisch für Christina Zavalloni, ein wirklich eigenständiges Idiom hat die junge Künstlerin noch nicht gefunden – sie hat ja noch genügend Zeit zu reifen.
Bei einem Solo-Stück erinnerte sie in einem kommunikationsfreudigen Selbstgespräch an typische Aktionen der Amerikanerin Lauren Newton und mit „verhexten“ Allüren an die oft teuflisch wild auftretende Griechin Diamanda Galas. Schließlich gab sich die rassige Italienerin auch noch so kraftstotzend wie die Holländerin Greetje Bijma (die übrigens am 28. April wieder in der Dieselstraße 26 auftreten wird, diesmal im Rahmen der Reihe „Klangseiten“).
Christina Zavolloni wird sich wohl nicht selbst als Jazzsängerin bezeichnen wollen. Das Studium des klassischen Gesangs und der Kompositionslehren und erst recht ihre Beteiligung an Arnold Schoenbergs „Pierrot Lunaire“ und an Gioacchino Rossinis Oper „Seidene Leiter“ und ihre Faible für französische Chansons verweisen auf ein universelles Interesse. Da spielt der Jazz (und eine kreative Improvisationslust) zwangsläufig nur eine Nebenrolle.